Es kommt häufig vor, dass man nicht weiß, was der Gesetzgeber mit einer Formulierung im Gesetz gemeint hat. Dann muss man versuchen, selbst das Richtige herauszufinden – und hoffen, dass später ein Gericht das genauso sieht. Solche Unklarheiten gibt es auch in der Musterversammlungsstättenverordnung (MVStättVO), die von den meisten  Bundesländern in ihre Landesverordnung übernommen wurden.

Was bedeutet dort die Formulierung „Während des Betriebes von Versammlungsstätten“?

Die Antwort auf die Frage hat erhebliche Auswirkungen, so findet sich diese Formulierung in:

  • § 31 Abs. 3 MVStättVO: „Während des Betriebes müssen alle Türen von Rettungswegen unverschlossen sein.“
  • § 38 Abs. 2 MVStättVO: „Während des Betriebes von Versammlungsstätten muss der Betreiber oder ein von ihm beauftragter Veranstaltungsleiter ständig anwesend sein.“

Immerhin ist die fehlende Anwesenheit des Betreibers während des Betriebes eine Ordnungswidrigkeit (siehe § 47 Nr. 12 MVStättVO).

Hier gibt es vier Möglichkeiten:

  1. Möglichkeit 1: Immer.
  2. Möglichkeit 2: Mit Betrieb ist auch die Zeit gemeint, wenn sich nur die Beschäftigten des Betreibers zu ihrem Alltagsgeschäft aufhalten, sprich: Immer zu den Geschäftszeiten.
  3. Möglichkeit 3: Mit Betrieb ist die Zeit ab einschließlich der Vorbereitungshandlungen für die Veranstaltung (Aufbau) bis Abbauende.
  4. Möglichkeit 4: Mit Betrieb ist nur die Zeit gemeint, in der sich Besucher in der Versammlungsstätte aufhalten.

Leider hat es der Verordnungsgeber versäumt, hier eine klare Formulierung zu wählen. Immerhin hätte er auch schreiben können: „Ab Aufbau …“, oder „Während der Veranstaltungszeiten“ oder „Bei Anwesenheit von Besuchern“ usw., und schon wäre die Frage leicht zu beantworten gewesen.

Möglichkeit 1: „Immer“ → Nein

Gegen die Möglichkeit 1 spricht, dass es schon rein praktisch unmöglich ist, dass der Betreiber immer anwesend ist. Denn dann müsste er auch nachts anwesend sein, wenn sonst niemand da ist. Zudem heißt es bspw. in § 31 Abs. 1 und 2: „Rettungswege … müssen ständig frei gehalten werden“. Wenn der Verordnungsgeber mit „Während des Betriebes“ also wirklich „immer“ gemeint hätte, dann hätte er auch hier das Wort „ständig“ verwendet, was er aber nicht getan hat.

Möglichkeit 2: „Zu den Geschäftszeiten“ → Nein

Das Verständnis von Sinn und Zweck der MVStättVO spricht dagegen, dass der Betreiber anwesend sein soll, wenn das eigene Personal in der Halle und im Bürogebäude herumspringt. Dafür genügen die arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften zum Schutz der Beschäftigten.

Das würde übrigens auch der Definition der Versammlungsstätte widersprechen (§ 2 Abs. 1 MVStättVO): „Versammlungsstätten sind bauliche Anlagen oder Teile baulicher Anlagen, die für die gleichzeitige Anwesenheit vieler Menschen bei Veranstaltungen, insbesondere erzieherischer, wirtschaftlicher, geselliger, kultureller, künstlerischer, politischer, sportlicher oder unterhaltender Art, bestimmt sind sowie Schank- und Speisewirtschaften.“

Es verbleiben noch die Möglichkeiten 3 (Aufbau bis Abbau) und 4 (nur bei Anwesenheit von Besuchern).

Möglichkeit 3 „Schon ab Aufbau“ und Möglichkeit 4 „Nur während der Veranstaltung“

Letztlich muss man sagen: Abschließend klären kann das nur ein Gericht. Für beide Möglichkeiten sprechen verschiedene Argumente. Allerdings muss man auch feststellen, dass die MVStättVO und die Begründung der ARGEBAU nicht zwingend den Schluss zulässt, dass man sich allzu sehr am Wortlaut der Verordnung aufhängen dürfte. Und selbst die Wortauslegung hilft nicht weiter, weil man den Betrieb so oder so verstehen kann. Letztlich kommt es also auf den Sinn und Zweck der Vorschriften an.

Vor diesem Hintergrund gehe ich von Folgendem aus: Wenn der Betreiber bzw. der Veranstalter willentlich die Besucher in die Versammlungsstätte zum Zwecke der Veranstaltung einlässt, beginnt der Betrieb der Versammlungsstätte. Ab jetzt muss (vorher kann) der Betreiber oder ein Veranstaltungsleiter anwesend sein.

Vor diesem Zeitpunkt ist der Betreiber dennoch schon für die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich (§ 38 Abs. 1 MVStättVO). Das heißt: Der Betreiber kann beim Aufbau/Abbau freiwillig anwesend sein, muss es aber nicht zwingend. Allerdings können es die Umstände gebieten, dass er schon vorher anwesend ist, wenn er nur damit seinen Aufgaben nachkommen kann.

Er darf den Betrieb (= „doors open“) aber erst aufnehmen, wenn er sicher ist, dass die Sicherheit der Veranstaltung gewährleistet ist. Ansonsten wäre dies zumindest eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten.

Interessant ist dabei: Ein Verstoß gegen § 38 Abs. 1 MVStättVO ist keine Ordnungswidrigkeit (siehe § 47 MVStättVO). Allerdings wäre dies eine Pflichtverletzung, die zivilrechtlich trotzdem einen Schadenersatzanspruch auslösen würde (nach § 280 Abs. 1 BGB im Rahmen eines Vertrages, und nach § 823 Abs. 2 BGB auch bei nicht-vertraglichen Schuldverhältnissen).

Dies entspricht m.E. auch dem Sinn und Zweck der Vorschriften: Andere Beschäftigte beim Aufbau und Abbau sind hinreichend über Arbeitsschutzvorschriften, Unfallverhütungsvorschriften und sonstige zivilrechtliche Haftungsregelungen usw. geschützt. So gibt z.B. das Arbeitsschutzrecht vor, dass ausreichend Rettungswege zur Verfügung stehen müssen.

Wenn der „Betrieb“ schon den Aufbau umfassen würde, müsste der Betreiber auch dann anwesend sein, wenn der eigene Hausmeister anfängt, die ersten Stühle hinzustellen- das ist aber nicht Sinn und Zweck der MVStättVO.

Zudem besteht auch ein umfassender baurechtlicher Schutz über die Vorgabe, dass der Betreiber „für die Einhaltung der Vorschriften“ verantwortlich ist (§ 38 Abs. 1 MVStättVO), und dies auch ständig.

Die Tatsache, dass anstelle des Betreibers auch ein „Veranstaltungsleiter“ anwesend sein kann (siehe § 38 Abs. 2 MVStättVO) lässt auf die Möglichkeit 4 schließen: Müsste der Veranstaltungsleiter auch außerhalb der Veranstaltung anwesend sein, würde der Begriff „Veranstaltungs“-Leiter nicht viel Sinn machen.

Schauen wir uns an, was eine „Versammlungsstätte“ ist: „Versammlungsstätten sind bauliche Anlagen oder Teile baulicher Anlagen, die für die gleichzeitige Anwesenheit vieler Menschen bei Veranstaltungen, insbesondere erzieherischer, wirtschaftlicher, geselliger, kultureller, künstlerischer, politischer, sportlicher oder unterhaltender Art, bestimmt sind sowie Schank- und Speisewirtschaften.“, so § 2 Abs. 1 MVStättVO. Wichtig sind dabei die Merkmale „gleichzeitige Anwesenheit vieler Menschen“ bei „Veranstaltungen…“: Die Formulierung in § 2 Abs. 1 lässt darauf schließen, dass die Versammlungsstätte auch nur dann in Betrieb ist, wenn denn auch viele Menschen für die Veranstaltung gleichzeitig anwesend sind. Dies spricht also für die Annahme, dass mit „Während des Betriebs“ nur die Veranstaltungszeit = Anwesenheit von Besuchern gemeint ist.

Man beachte der Vollständigkeit halber: In § 31 Abs. 3 fehlt das „… von Versammlungsstätten“!

Dies könnte nun ein schlichter Redaktionsfehler sein oder gar keine gewollte Bedeutung haben – oder meinen, dass das Zeitfenster „Betrieb“ im § 31 Abs. 3 MVStättVO weitergefasst sein soll als das Zeitfenster „Betrieb von Versammlungsstätten“ in § 38 Abs. 2 MVStättVO. Letztlich dürfte dies aber nur ein marginaler Unterschied sein, da im Zeitraum Aufbau und Abbau zumindest die arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften (z.B. § 4 Abs. 4 Arbeitsstättenverordnung) greifen.

Fazit:

Der Betreiber, respektive sein Veranstaltungsleiter, kann theoretisch auch erst 1 Minute vor Einlassbeginn erscheinen. Er ist letztlich verantwortlich dafür, sich zu vergewissern, dass seine Betreiberpflichten eingehalten sind. D.h. er muss bspw. sicherstellen, dass der Bestuhlungs- und Rettungswegeplan eingehalten ist. Wenn er das in 1 Minute schafft, gut… braucht er länger, verstößt er ggf. gegen den Mietvertrag mit dem Veranstalter.

Um es noch mal klar zu sagen: Nicht-anwesend sein zu müssen heißt nicht, nicht verantwortlich zu sein!