Immer wieder fragen mich Mandanten: Was sollen wir bei Unwetter tun? Müssen wir hier besondere Maßnahmen treffen?
Es kommt immer mal wieder vor, dass auf Veranstaltungen Menschen bei einem Unwetter verletzt werden, und schnell ist man wieder aufgeschreckt. Auch wenn durchaus auch Zeltbauten oder Hallen von Stürmen oder Schneemassen betroffen sein und zusammenstürzen können, sind sicherlich öfter Open Air-Veranstaltungen betroffen.
Müssen, sollen, dürfen und wollen?
Man sollte immer unterscheiden zwischen dem „must have“ und dem „nice to have“: Es gibt Dinge, die muss man machen, und es gibt andere Dinge, die kann oder sollte man machen.
Was man tun muss, ergibt sich insbesondere aus den Vorschriften und der Rechtsprechung. Es kann also sein, dass man eine bestimmte (Sicherheits-)Maßnahme nicht treffen muss – aber vielleicht möchte der Verantwortliche sie überobligatorisch treffen, weil er sehr auf sein Image bedacht ist.
Wenn schon, dann aber richtig
Man denke nur an folgende Möglichkeit: Ein Verantwortlicher glaubt, dass er für irgendetwas verantwortlich sei und bereitet entsprechende Maßnahmen vor; diese Maßnahmen aber setzt er versehentlich mangelhaft um, er kommuniziert aber gegenüber Beschäftigten und Besuchern, dass er die Maßnahmen getroffen habe.
Kommt es nun aufgrund der Mängel zu einem Schaden, dann stellt sich die Frage, inwieweit man den Verantwortlichen dann dafür haftbar machen kann – umgekehrt: Hätte der Verantwortliche keine Maßnahmen getroffen, weil er auch nicht verantwortlich dafür ist, dann kann man ihm auch schwerlich (rechtlich) einen Vorwurf machen, wenn er nichts getan hat.
Behauptet also der Veranstalter (und ist vielleicht noch überzeugt davon), dass er für Unwetter ausreichende Maßnahmen vorbereitet habe, und verlassen sich die Besucher im Unwetterfall auf diese Behauptung, dann können sie auch erwarten, dass die Maßnahmen ordnungsgemäß umgesetzt wurden. Eine Fehlerquelle also mehr für den Verantwortlichen, der ohnehin schon schnell überfordert ist mit der Vielzahl von Anforderungen, die er schon kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen erfüllen muss.
Eine „Übersicherung“ der Veranstaltung ist auch nicht im Sinne des Erfinders – zumal man dann berechtigt hinterfragen muss, ob es nicht besser wäre, lieber weniger Maßnahmen und diese dafür richtig, als viele Maßnahmen und diese dann möglicherweise aufgrund Zeit- und Geldmangels nicht richtig umzusetzen.
Die Rechtslage
Wie sieht die Rechtslage dazu aus? Ist ein Veranstalter möglicherweise verantwortlich?
Wie so oft gibt es keine eindeutige Aussage „ja“ oder „nein“, da es immer vom Einzelfall abhängt. Jede Veranstaltung, jeder Ort ist anders, jedes Unwetter hat andere Auswirkungen, daher ändert sich auch immer die rechtliche Beurteilung.
Bevor man sich auf eine Maßnahme oder Überlegung stürzt, sollte man prüfen, ob es sich um ein „Muss“ oder um ein freiwilliges Extra handelt. Denn: Wenn ich etwas machen muss, brauche ich darüber und ggf. auch über das Ausmaß und die Intensität der Umsetzung gar nicht mehr diskutieren.
Ich selbst habe nichts gegen Sicherheit – aber wer es übertreibt und mehr macht als Notwendig, begibt sich möglicherweise unnötig in kaum kalkulierbare Risiken. Das ist für sich gesehen nicht verboten, man sollte sich dessen aber zumindest bewusst sein. Nur dann nämlich kann man später doch noch hier und da Maßnahmen wieder wegrationalisieren, wenn einem die Zeit oder das Geld ausgeht. Fehlt aber das Bewusstsein, spart man womöglich Maßnahmen ein, die zwingend erforderlich sind, um die Nice-to-have-Maßnahme weiter voranzubringen.
Das Problem:
Wetter ist nicht exakt vorhersehbar, jedenfalls nicht für einen so langen Zeitraum, der notwendig wäre, um ein Veranstaltungsgelände mit zigtausenden Menschen zu entleeren.
Das heißt:
Zu dem Zeitpunkt, zu dem mit dem Entleeren begonnen werden müsste, kann man sich noch nicht sicher sein, ob bspw. eine Gewitterzelle tatsächlich das Gelände treffen wird.
Und wenn man die Sicherheit hat, dass die Gewitterzelle das Gelände treffen wird, reicht die Zeit oftmals nicht mehr, das Gelände zu entleeren.
Lösungsmöglichkeit 1: Das Gelände wird so verbaut, dass es „wetterfest“ ist. Solange von veranstaltungseigenen Aufbauten nichts herumwirbeln kann, wird der Besucher veranstaltungsbedingt auch keinen besonderen Risiken ausgesetzt – jedenfalls nicht viel anders, wenn er sich in der Stadt, am Baggersee oder im Wald aufhalten würde.
Das aber dürfte in den meisten Fällen Utopie sein, weshalb man vielfach greifen wird müssen zu:
Lösungsmöglichkeit 2: Der Veranstalter muss das Risiko eingehen, entweder unnötigerweise die Veranstaltung abzubrechen, oder zu spät.
Die juristische Frage drängt sich auf: Kann man dem Veranstalter eine solche Entscheidung zumuten, die von heftigen Unwägbarkeiten beeinflusst wird? Denn konsequenterweise wird der vorsichtige Veranstalter die Veranstaltung vorsichtshalber abbrechen – mit dem Risiko, dass er hohe finanzielle Schäden erleiden muss.
Der unvorsichtige, vielleicht auch der gierige Veranstalter hingegen wird weitermachen und hoffen, dass nichts passiert. Denn selbst wenn das Unwetter über die Veranstaltung sich entladen sollte, bedeutet das ja nicht zwangsläufig, dass ein Schaden entsteht.
Das jedenfalls moralische Problem: Der Besucher kann nicht erkennen, mit welchem der beiden Veranstalter-Typen er es zu tun hat…
Juristisch könnte man das wie folgt lösen:
Variante 1: Wetterprognose positiv
Der Veranstalter muss nicht mit Unwetter rechnen, da in den gewöhnlichen Kanälen nichts angekündigt ist und auch die aktuelle Wetterlage nichts befürchten lässt.
In diesem Fall dürfte man dem Veranstalter eher eine „falsche“ Reaktion oder mangelhafte Vorbereitungsmaßnahmen zubilligen. Hier könnte man das allgemeine Lebensrisiko des Besuchers höher einstufen. Man könnte eher unterstellen, dass der durchschnittliche Besucher bei dieser Ausgangslage am wenigsten gleich hohe Vorkehrungen erwartet als bei den folgenden Varianten.
Variante 2: Wetterprognose kritisch
Der Veranstalter erfährt aus üblichen Kanälen, dass Unwetter auftreten könnten, bzw. er unterlässt es grob fahrlässig, sich um solche Informationen zu kümmern.
In diesem Fall dürfte man dem Veranstalter schon weniger eine „falsche“ Reaktion oder mangelhafte Vorbereitungsmaßnahmen zubilligen.
Variante 3: Konkrete Unwetterwarnung
Der Veranstalter weiß oder muss wissen, dass mit einer höheren Wahrscheinlichkeit mit einem Unwetter zu rechnen ist.
In diesem Fall dürfte man dem Veranstalter am wenigsten eine „falsche“ Reaktion oder mangelhafte Vorbereitungsmaßnahmen zubilligen.
Aber: Vorbereitung notwendig?
Das Problem ist allerdings, dass der Veranstalter die vorstehenden Varianten erst kurz vor der Veranstaltung einordnen wird können. Kündigt sich schlechtes Wetter an, müssen gewisse Maßnahmen aber auch vorbereitet werden.
Auch hier könnte man entsprechend zu den vorstehenden Erwägungen differenzieren, diesmal nach Art der Maßnahme:
Baumaßnahmen:
Wer eine Open Air-Veranstaltung insbesondere im größeren Ausmaß durchführen möchte, dem wird man auch zumuten können, grundsätzlich für Wetterfestigkeit zu sorgen. Denn schließlich kann es auch einfach nur windig sein, ohne dass ex gleich zu einem heftigen Gewitter kommen muss.
Beauftragung eines Meteorologen u.ä.:
Anders sieht es bei strukturellen Maßnahmen aus. Einen Meteorologe kann man regelmäßig auch nicht erst einen Tag vor der Veranstaltung beauftragen, wenn schlechtes Wetter angekündigt ist.
Muss ihn der Veranstalter deshalb aber schon frühzeitig buchen (plus alle anderen solcher Maßnahmen auch), mit dem Risiko, dass er nachher nicht gebraucht wird? Sind derlei Maßnahmen notwendig und zumutbar?
Bei sehr großen Veranstaltungen wie Musikfestivals dürften die Kosten für die Wetterbeobachtung nicht derart ins Gewicht fallen, dass sie dem Veranstalter unzumutbar wären. Bei kleineren Veranstaltungen stellt sich die Frage, inwieweit der durchschnittliche Besucher derlei Maßnahmen auch vernünftigerweise erwarten dürfte. Ebenso, inwieweit der Veranstalter dann die örtliche Feuerwehr um Hilfe bitten dürfte mit Blick auf die Wettervorhersage.
Eine generelle Pflicht, umfassende Maßnahmen für die Vorsorge für Extremwetterlagen zu treffen, würde ich also abgestuft von der Veranstaltungsdimension durchaus unterschiedlich bewerten.