Ist ein Veranstalter verantwortlich, wenn ein Besucher seiner Veranstaltung ausrutscht und sich verletzt? Haftungsfragen bewegen viele Verantwortliche von Veranstaltungen: Wer ist für was verantwortlich? Was muss man tun, um Unfälle zu vermeiden? Wie weit gehen Verkehrssicherungspflichten? Jetzt hat es eine kleine Weintraube zum Bundesgerichtshof geschafft…: Denn auf einer solchen Weintraube ist die Kundin eines Verkaufsmarktes ausgerutscht und hat sich verletzt. Ist der Betreiber dafür verantwortlich?
In den ersten beiden Instanzen vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht hatte der Betreiber noch gewonnen: Er könne nicht für alles verantwortlich sein, was in seinem Laden passiere. Dem grätschte nun der Bundesgerichtshof dazwischen.
Zunächst allgemein: Der Bundesgerichtshof definiert die Grenzen der Verkehrssicherung so:
Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die den Umständen nach zuzumuten sind.“
Der Umfang der Reinigungs- und Kontrollpflichten hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, wie etwa der Kundenfrequenz oder der Witterung.
Wer muss was beweisen?
Der Bundesgerichtshof hat jetzt eine jahrzehntealte Rechtsprechung bestätigt: Der Betreiber bzw. Veranstalter muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Gefahrenbereich liegen.
Und bei einer Weintraube, die auf dem Boden liegt, und auf der eine Person ausrutscht, ist das der Fall: Die als unfallursächliche Gefahrenquelle angenommene Verunreinigung (durch die Weintraube) des Fußbodens ist dem Gefahren- und Organisationsbereich der Beklagten zuzurechnen.
Es kommt nicht darauf an, wer die Weintraube auf den Boden geworfen hat, bzw. ob die Weintraube überhaupt aus dem Sortiment des Betreibers stammt. Denn der Betreiber hat eine Situation geschaffen, in der die Kunden häufig abgelenkt und daher durch eine Glätte des Fußbodens oder durch auf dem Boden liegende Gegenstände in besonderer Weise gefährdet sind. Die Gefahr, dass Besucher in der Einkaufssituation, etwa aufgrund ihrer Konzentration auf die angebotenen Waren, nicht wie üblich auf Glätte oder Gegenstände auf dem Fußboden achten, besteht aber unabhängig davon, ob eine etwaige Verunreinigung aus dem Warensortiment selbst stammt oder – womit der Betreiber eines Warenhauses rechnen muss – durch von Besuchern mitgebrachte Gegenstände verursacht wurde.
Gilt auch bei einer Veranstaltung!
Wenn wir die Weintraube bspw. durch ein heruntergefallenes Wasserglas ersetzen, gilt das auch bei einer Veranstaltung.
Für den Veranstalter bedeutet das einiges an Anstrengung, um seiner Verkehrssicherungspflicht nachzukommen. Denn er muss beweisen,
- dass von ihm die zur Vermeidung von Unfällen erforderlichen Organisations- und Überwachungsmaßnahmen getroffen worden sind, und
- dass auch seine Erfüllungsgehilfen alle nach Lage der Sache erforderliche Sorgfalt bei der Ausübung der ihnen übertragenen Pflichten beobachtet haben.
Handlungsempfehlungen:
- Werden Sie sich bewusst, welche Verkehrssicherungspflichten Sie treffen und stellen Sie sicher, dass sie die notwendigen und geeigneten Maßnahmen treffen. Dabei können Sie sich u.a. an den oben dargestellten Grundsätzen orientieren.
- Dokumentieren Sie diese Überlegungen und Ihre Maßnahmen.
- Wenn Sie nicht selbst eine solche Maßnahme durchführen können, sondern sie delegieren müssen, dann stellen Sie sicher, dass
- Ihr Delegierter sorgsam ausgewählt wurde (er also grundsätzlich in der Lage ist, die Aufgaben wahrnehmen zu können), und
- Sie Ihren Delegierten auch zumindest stichprobenartig kontrollieren, ob er seinen Aufgaben auch tatsächlich nachkommt.