Das Bundesverfassungsgericht hat heute einen langjährigen Streit beendet: Kann ein Veranstalter einer gewinnorientierten Großveranstaltung zum Ersatz von Polizeikosten herangezogen werden?
Bremen hatte in seinem Gebühren- und Beitragsgesetz eine Regelung aufgenommen, mit der bei Veranstaltern für den polizeilichen Mehraufwand bei gewinnorientierten, erfahrungsgemäß gewaltgeneigten Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen eine Gebühr erhoben kann, die nach dem Mehraufwand zu berechnen ist, der aufgrund der Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte entsteht.
2015 verschickte Bremen daraufhin einen Kostenbescheid über 400.000 € an die Deutsche Fußball-Liga nach einem als Hochrisikospiel bewerten Fußballspiel zwischen Hamburg und Bremen. Zuletzt hatte das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsgrundlage bestätigt und die DFL zur Zahlung verurteilt. Die DFL zog schließlich vor das Bundesverfassungsgericht, das jetzt sein Urteil verkündete.
Das Urteil
Die Kostenregelung in Bremen greift in die durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit der Veranstalter zwar ein. Der Eingriff ist aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da die Norm formell und materiell verfassungsgemäß ist. Die Norm genügt als Berufsausübungsregelung insbesondere den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit. Die Regelung ist auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Einzelheiten aus dem Urteil
Die Regelung zielt darauf ab, die durch die Durchführung der näher beschriebenen Veranstaltungen entstandenen Mehrkosten der Polizei auf die Veranstalter abzuwälzen. Soweit aber nur derjenige in Anspruch genommen wird, bei dem auch der Gewinn der Veranstaltung anfällt, werden die Mehrkosten der Polizeieinsätze nicht durch die Gesamtheit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, sondern (auch) durch die (un)mittelbaren wirtschaftlichen Nutznießer der Polizeieinsätze geschultert. Dies ist ein legitimes Ziel, so das Bundesverfassungsgericht.
Die Verfassung kenne nämlich keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden müsse. Die Gefahrenvorsorge ist keine allgemeine staatliche Tätigkeit, die zwingend ausschließlich aus dem Steueraufkommen zu finanzieren ist.
Zuordnung nach dem Veranlasserprinzip
So heißt es dazu in der bisher veröffentlichten Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:
Indem sie eine Veranstaltung durchführen, bei der erfahrungsgemäß Gewalthandlungen in erheblichem Maße zu erwarten sind (Hochrisikoveranstaltung), veranlassen die Veranstalter eine deutlich gesteigerte staatliche Sicherheitsvorsorge, nehmen damit begrenzte öffentliche Ressourcen in deutlich übermäßigem Umfang in Anspruch und begründen so ein Näheverhältnis zu der erbrachten staatlichen Leistung, welche ohne die Hochrisikoveranstaltung nicht notwendig wäre. Zwischen dem Aufwand und der Verursachung besteht dabei auch bei wertender Betrachtung ein Näheverhältnis. Die Nähe zum gebührenpflichtigen Mehraufwand wird im vorliegenden Fall auch durch den besonderen Umfang des Aufwands begründet, der in abgrenzbarer Weise durch die Veranstaltung und gerade nicht durch die Allgemeinheit verursacht wird.
Die von der streitgegenständlichen Kostenregelung erfassten staatlichen Maßnahmen besitzen weiter deshalb einen spezifischen Bezug zu den in der Vorschrift genannten Veranstaltungen, weil sie gerade deren Durchführung ermöglichen. Die Veranstalter sind objektiv, ohne es beantragt oder ausdrücklich erwünscht zu haben, Nutznießer dieser Bereitstellung von Polizeikräften. Die hierdurch ermöglichte Risikominimierung kommt ihnen zugute, weil sie ohne diese ihre Veranstaltung nicht oder zumindest nicht in der gewählten Form ausrichten könnten.
Die durch eine gefahrträchtige Großveranstaltung veranlasste erhöhte Sicherheitsvorsorge bleibt den Veranstaltern zurechenbar, auch wenn die Realisierung der Gefahr von einem – gegebenenfalls rechtswidrigen – Verhalten Dritter (z.B. randalierende „Fans“) abhängt. Ein vorsätzliches Dazwischentreten Dritter führt jedenfalls dann nicht zwingend zu einer Unterbrechung der Zurechnung des Mehraufwandes, wenn die Veranstaltung in Kenntnis ihrer Gefahrträchtigkeit durchgeführt wird.
Fazit
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht bezieht sich auf eine konkrete Regelung in Bremen, die nach Ansicht des höchsten deutschen Gerichts ausreichend differenziert formuliert ist (u.a. bzgl. Gewinnorientierung, Anzahl der Teilnehmer). Es bleibt nun abzuwarten, ob andere Bundesländer die Regelung übernehmen: Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz haben signalisiert, sich eine solche Regelung vorstellen zu können, NRW, Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen haben sich bisher dagegen ausgesprochen.
Das Urteil wird auch Auswirkungen auf andere Großveranstaltungen haben, also nicht nur auf Fußballspiele, da es nicht nach Art der Veranstaltung unterschieden hat – d.h. das Urteil trifft grundlegende Leitlinien für die Kostentragungspflicht Privater für die staatliche Gefahrenabwehr. Man denke hier nicht nur an den Einsatz von Polizeikräften, sondern auch an die vieldiskutierten Zufahrtsschutzmaßnahmen bspw. bei Weihnachtsmärkten, deren Verantwortungsbereich bisher mehrheitlich beim Staat verortet wird; allerdings könnte das Urteil nun einen Weg eröffnen, dass der Staat bestimmten Veranstaltern den Aufwand wird berechnen können.
Pikant: Früher oder später wird es – wie seinerzeit in Bremen – Streit über die Höhe der Kosten geben, und damit auch über die Notwendigkeit der polizeilichen Maßnahmen. Muss dann die Polizei ihre Taktik(en) offenlegen, um zu begründen, warum X Polizisten erforderlich waren?
Noch gibt es soweit bekannt aber nur in Bremen eine konkrete Kostentragungsvorschrift – d.h. bevor andere Länder nicht ebenfalls eine solche Vorschrift (die den vom Bundesverfassungsgericht gezogenen Maßstäben genügt) in ihr Gebührenrecht aufnehmen, wird es auch keine Kostentragungspflicht geben.
Das Urteil ist noch nicht veröffentlicht, bisher gibt es „nur“ eine Pressemitteilung des Gerichts. Wir werden die Pressemitteilung noch aus, und werden weiter berichten, ebenso, wenn dann noch das Urteil (mit seiner ausführlichen Begründung) vorliegt.