Der Veranstalter hat am Mittwoch die für Donnerstag, Freitag und Samstag geplanten Konzerte in Wien abgesagt, nachdem de österreichische Polizei zwei Terrorverdächtige festgenommen hatte (wir berichteten).
Höhere Gewalt?
Hat der Veranstalter wegen Höherer Gewalt abgesagt?
Diese Frage hat zentrale Bedeutung für die Frage, wie die geschlossenen Verträge mit Dienstleistern, der Künstlerin und den Besuchern abgewickelt werden.
Wir gehen der Einfachheit halber von folgenden Annahmen aus: In den Verträgen finden sich keine wirksamen Klauseln für diesen Fall, und es gibt keine individuellen Absprachen nach der Absage.
Höhere Gewalt ist ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmen in Kauf zu nehmen ist“, so der Bundesgerichtshof.
Presseberichten zufolge hat der Veranstalter die Absage selbst entschieden, d.h. ohne, dass es eine polizeiliche oder behördliche Anordnung gegeben habe. Hätte es eine solche gegeben, wäre es einfacher, Höhere Gewalt zu bejahen.
Was ist aber, wenn die Entscheidung nur auf dem Willen des Veranstalters beruht?
Letztlich wird man die Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung, als von Mittwoch Abend zugrunde legen müssen. Zu diesem Zeitpunkt wurde wohl noch nach weiteren Tatverdächtigen gefahndet, d.h. offenbar bestand keine Sicherheit, dass man die einzigen beiden Tatverdächtigen in Gewahrsam hatte.
Das ist sicherlich kein klassischer Fall der Höheren Gewalt; denn sie soll – angesichts ihrer Rechtsfolgen, die für Dienstleister bekanntermaßen durchaus tragisch sein können – nicht dem subjektiven Empfinden eines Vertragspartners vorbehalten bleiben. Theoretisch könnte die Höhere Gewalt also an der Betriebsfremdheit scheitern, weil das unmittelbare Ereignis (= die Absage) vom Veranstalter herbeigeführt wurde, und im Übrigen unklar war, ob ein außenstehendes Ereignis (= die Terrorgefahr) tatsächlich bestanden hat.
In einem Gerichtsverfahren würde es sicherlich auf viele Details ankommen, die ich nicht kenne, und hier daher nur eher abstrakte Mutmaßungen anstellen kann. Ich würde aber behaupten wollen, dass ein Gericht hier den Veranstalter „in Schutz nehmen“ würde: Denn jedenfalls nach Lage in den Medien war die Absage offenbar die zu diesem Zeitpunkt vernünftigste Entscheidung, die angesichts der Konkretheit der Anschlagspläne, die der 19-jährige Hauptverdächtigte zwischenzeitlich eingestanden hat, auch politisch gestützt wird.
Im deutschen Recht würde ein Gericht das daher wohl doch über die Höhere Gewalt lösen, oder zumindest über den Grundsatz „Treu und Glauben“ (siehe § 242 BGB) oder ähnliche Rechtsinstrumente.
Warum ist die Unterscheidung so wichtig?
Die Höhere Gewalt führt dazu, dass alle von Höherer Gewalt betroffenen Vertragsverhältnisse rückabgewickelt werden.
Würde es sich aber um verschuldete Unmöglichkeit handeln, würde sich der Veranstalter sogar schadenersatzpflichtig machen.
Achtung: Die Höhere Gewalt führt nicht automatisch zur Unmöglichkeit in allen Vertragsverhältnissen! Es kommt darauf an, was in dem jeweiligen Vertrag bspw. mit Besucher oder Bühnenbauer als geschuldet vereinbart war und ob diese vertraglich geschuldete Leistung durch die Höhere Gewalt unmöglich wurde!
Und hier gibt es Unterschiede:
- Im Vertrag zwischen Veranstalter und Besucher ist die vertraglich geschuldete Leistung die „Show“. Diese wurde abgesagt, mutmaßlich eben aufgrund Höherer Gewalt. Also wird dieses Vertragsverhältnis rückabgewickelt und man stellt im Ergebnis die Vertragspartner so, als ob sie sich nie gesehen hätten. Die Folge: Der Veranstalter muss die Ticketgelder zurück bezahlen.
- Im Vertrag zwischen Veranstalter und bspw. einem Bühnenbauer ist die vertraglich geschuldete Leistung „Bühnenaufbau“. Diese kann nicht erfolgen, weil der Veranstalter abgesagt hat. Es ist aber fraglich, ob der Bühnenaufbau als solcher von der Höheren Gewalt „Terrorgefahr“ betroffen ist. Wenn wir das verneinen, dann greifen die Rechtsfolgen der Höheren Gewalt nicht (und wir unterstellen wie eingangs geschrieben ja, dass es auch keine anderweitigen vertraglichen Vereinbarungen gibt). Allerdings kann dann bspw. der sog. Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) greifen, der zu einer Anpassung der Vergütungspflicht führt. Soweit nicht der Bühnenbauer ohnehin von sich aus dem Veranstalter entgegenkommt, würde ein Gericht den Vergütungsanspruch des Bühnenbauers zwar nicht auf Null herabsetzen, aber sicherlich durchaus erheblich reduzieren – denn das Risiko einer Absage wegen Terrorgefahr wird hauptsächlich der Veranstalter tragen.
Man sieht: Vertragliche Absprachen, wer welches Risiko trägt bzw. wie nach einer Absage die Verträge abgewickelt werden, sind sinnvoll, und können rechtliche Unsicherheiten vermeiden. Wir unterstützen Veranstalter und Gewerke bei der Vertragsgestaltung und formulieren soweit möglich vorausschauend, um auf Unwägbarkeiten zu reagieren. Wenn Sie Interesse an einer vertraglichen Absicherung haben, schreiben Sie uns eine kurze Mail an info@eventfaq.de!
Hotelkosten u.a. der Besucher
Die Besucher werden aber auf ihren Kosten für Anreise, Hotel, Urlaub usw. sitzen bleiben. Denn der Veranstalter hat die Absage aller Wahrscheinlichkeit nach nicht fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt, mithin hat er sich auch nicht schadenersatzpflichtig gemacht. Aber nur dann könnte er zum Schadenersatz = Ersatz von Hotelkosten usw. verpflichtet sein.
Steht dem Besucher aber wiederum kein Stornorecht gegenüber dem Hotel zu, kann das Hotel die vollen Kosten verlangen (abzüglich ersparter Aufwendungen); denn das Risiko, dass das Motiv der Zimmerbuchung wegfällt (hier die Veranstaltung), trägt allein der Besucher bzw. der Hotelgast. Anders wäre es allenfalls dann, wenn der Besucher das Ticket und das Hotelzimmer in einem (ggf. auch reiserechtlichen) Gesamtpaket gekauft hat; fällt dann ein wesentlicher Teil weg, entfällt auch der verbleibende Teil.