In vielen Verträgen finden sich sog. take-or-pay-Klauseln bzw. bring-or-pay-Klauseln. Vom Begriff her haben sie ihren Ursprung in Gaslieferungsverträgen: Der Kunde verpflichtet sich, eine bestimmte Menge Gas abzukaufen (100%); wenn er aber nur 80% davon tatsächlich abkauft, muss er trotzdem 100% bezahlen („take or pay“). Die bring-or-pay-Klauseln beschreiben dasselbe umgekehrt, so bspw. in der Abfallwirtschaft: Ein Abfalllieferant verpflichtet sich gegenüber einer Müllverbrennungsanlage eine bestimmte Menge zu liefern (100%); wenn er aber nur 80% tatsächlich liefert, ändert das nichts an den vereinbarten Zahlungskonditionen.

Solche Klauseln finden sich auch im Veranstaltungsbereich, z.B.:

Der Kunde verpflichtet sich, eine bestimmte Anzahl von Tagungspauschalen abzunehmen, die der Anzahl der Teilnehmer entspricht. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass sich Teilnehmerzahlen nach Vertragsschluss nach oben oder nach unten verändern können. Typischerweise hat der Vermieter nichts dagegen, wenn die Teilnehmerzahl steigt, da er dann auch mehr Geld verlangen kann. Wenn aber die Teilnehmerzahl sinkt, möchte er ungern auf die bei Vertragsschluss erhofften Einnahmen verzichten und weniger abrechnen.

Und genau hier liegt die Krux bei solchen Klauseln:

AGB oder Individualklausel?

Würde es sich bei der Klausel um eine Individualklausel, und nicht um AGB handeln, dann ergeben sich grundsätzlich keine Probleme: eine individuell, wirklich ausverhandelte Klausel unterfällt nicht den strengen Anforderungen des AGB-Rechts.

Typischerweise aber setzt der Vermieter die Klausel öfter ein und will sich auch gar nicht zur Disposition stellen – dann handelt es sich um eine AGB-Klausel. Und hier tauchen dann eine Vielzahl von Problemen auf:

Preisabrede?

Zunächst muss man klären, ob es sich bei solchen take-or-pay-Klauseln um eine sog. Preisabrede handelt: Solche Preisabreden können nämlich von den Gerichten grundsätzlich nicht überprüft werden. Das berühmteste Beispiel für eine Preisabrede: „Die Location kostet pro Tag 1000 Euro“. Ein Gericht würde nun im Streitfall nicht darüber entscheiden, ob die 1000 Euro angemessen sind oder nicht.

Hierzu gibt es verschiedene Meinungen, es kommt oft auch auf den Einzelfall an…

Schadenersatz?

Handelt es sich bei der take-or-pay-Klausel um eine verkappte Schadenersatzklausel? Denn Schadenersatzforderungen werden in AGB besonders kritisch betrachtet (siehe § 309 Nr. 5 BGB), wenn der vermeintlich Geschädigte seinen Schadenersatz pauschalisieren möchte – was er hier ja macht, wenn er trotz Abnahme von 20% weniger dennoch die 100% bezahlt, also 20% Schadenersatz haben möchte.

Vertragsstrafe?

Oder handelt es sich um eine gut getarnte Vertragsstrafenvereinbarung? Der Kunde soll eine Vertragsstrafe bezahlen, wenn er nicht vollständig liefert/leistet? Auch solche Pauschalisierungen werden vom Gesetz aber mit Argwohn betrachtet (vgl. § 309 Nr. 6 BGB, bei B2B greift aber diese Vorschrift nicht, aber § 307 BGB, dazu im nächsten Punkt).

Unangemessenheit?

Als weitere Unsicherheit für den Verwender solcher Klausel gibt es dann die Vorschrift des § 307 BGB, der grundsätzlich verbietet, dass eine Klausel unangemessen benachteiligend ist. Sie darf benachteiligend sein, aber eben nicht unangemessen. Und sie darf nicht dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werden soll, widersprechen.

Und unangemessen kann es eben sein, wenn ein Vermieter die vollen 100% bekommen soll, obwohl er nur 80% leistet – weil der Mieter auch nur 80% abnimmt.

Und nun?

Die genannten Probleme sind sehr umstritten, was zeigt, wie gefährlich solche Klauseln sein können.

Der Ausweg liegt, wie so oft, in der Fairness und Ausgeglichenheit: Wenn die Interessen beider Vertragspartner berücksichtigt sind, dann halten die Klauseln auch regelmäßig einer AGB-Kontrolle stand.

Dabei dürfen aber auch Besonderheiten der Branche berücksichtigt werden. Bei den eingangs genannten Gaslieferungsverträgen bspw. muss der Gaslieferant gigantische Summen in die Infrastruktur stecken, weshalb er auch ein Interesse hat, die bei Vertragsschluss kalkulierten Beträge zu erhalten.

Ist das bei Tagungspauschalen, Catering, Locationmiete genauso? Es liegt ein Unterschied auf der Hand: Wenn weniger Teilnehmer kommen, dann kann der Caterer auch Geld und Aufwand sparen, da er weniger vorbereiten muss – vorausgesetzt, er erfährt rechtzeitig von der geringeren Teilnehmerzahl.

Und hier findet sich auch eine gesetzliche Wertung in § 648 BGB: Der Unternehmer muss sich auf seine 100%-Forderung das anrechnen lassen, was er sich durch den Wegfall des Auftrages bzw. der Teilnehmer erspart: Denn andernfalls würde er besser dastehen, wenn sein Kunde nicht die 100% des Vertrages erfüllt, also wenn nicht 100% der vereinbarten Teilnehmerzahl wirklich erscheint.

Wer also keine Diskussionen um die Wirksamkeit seiner Take-or-pay-Klausel oder bring-or-pay-Klausel riskieren möchte, bleibt fair und um Ausgleich bemüht: Er lässt sich ersparte Aufwendungen bei Minderleistung seines Kunden anrechnen. Das gilt genauso umgekehrt: Wer mehr Geld haben will, wenn sein Vertragspartner im Nachhinein mehr Gäste anbringt, der muss auch auf Geld verzichten, wenn der Vertragspartner weniger Gäste bringt.