Bei einem sog. Jedermann-Triathlon verletzte sich ein Teilnehmer, und beklagte sich später über eine mangelhafte und verzögerte medizinische Versorgung im Zielbereich. Der Streit um Schmerzensgeld und Schadenersatz wegen mutmaßlicher Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters endete schließlich vor Gericht. Und die erste Instanz, das Landgericht Dresden, hatte eine treffende Herleitung der Verkehrssicherungspflichten vorgenommen, die ich hier wiedergeben möchte.

Zunächst startete das Gericht abstrakt:

  • Derjenige, der eine Gefahrenlage – z.B. eine Veranstaltung – schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern.
  • Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.
  • Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen vorausschauend zu Beseitigung der Gefahr erforderlichen zumutbar sind.
  • Erforderlich sind die Maßnahmen, die ein umsichtiger, verständiger und gewissenhafter in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger der betreffenden Verkehrskreise der Berücksichtigung der Schadenswahrscheinlichkeit und möglichen Schadensfolgen für notwendig und ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren.

Dann ging es konkreter in Richtung Sportveranstaltung:

  • Die den Organisator einer Sportveranstaltung gegenüber den Teilnehmern treffende Verkehrssicherungspflicht bezieht sich deshalb nicht darauf, die Sportler vor solchen Gefahren zu schützen, die mit ihrer Beteiligung typischerweise verbunden sind.
  • Mit einem durch die Eigenart des Sportes erhöhten Gefahrenniveau muss der Athlet rechnen; dieses Mehr an Gefahr nimmt er durch seine Beteiligung in Kauf.
  • Inhalt der Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters gegenüber den Sportausübenden ist es deshalb in erster Linie, den ihnen etwa drohenden verdeckten und atypischen Gefahren zu begegnen.

Und danach ging es speziell um einen Triathlon:

  • Aus diesen Gründen trifft den Veranstalter und Ausrichter eines Triathlons in erster Linie die Pflicht, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren Vorsorge gegen vorhersehbare Gefahren zu treffen, die von den Teilnehmern nicht zu beherrschen sind.
  • Entsprechend der Eigenart dieses Sports, der sich aus mindestens drei Teildisziplinen (nach verbreiteter Deutung wird der Wechsel auch als vierte Teildisziplin gezählt) zusammensetzt, bedarf es dabei einer differenzierten Betrachtung nach den einzelnen Wettkampfabschnitten.
  • Die wohl größten versteckten Risiken birgt die Schwimmstrecke, da dort Krämpfe oder Kreislaufversagen der Athleten zu einem schnellen Todeseintritt durch Ertrinken führen können. Dieses Risiko ist von den Teilnehmern nur bedingt steuerbar, weil sie bei einem Massenstart Schläge und Tritte anderer Teilnehmer abbekommen können und das Rennen im Freiwasser ausgetragen wird, das wechselhaften Umwelteinflüssen ausgesetzt ist.
  • Deshalb ist hier von dem Veranstalter eine gründliche Überwachung zu fordern, die ein zügiges Eingreifen der Wasserrettung ermöglicht. Dies ist ihm auch deshalb zuzumuten, weil die Distanz der Schwimmstrecke im Vergleich zu den anderen Disziplinen sehr kurz ist.
  • Der Veranstalter muss Wettkampfteilnehmer zudem vor Gefahren schützen, die von seinem gegenständlichen und räumlichen Bereich ausgingen. Er ist darum für den Zustand und die Eignung der Rennstrecke und deren sichere Benutzungsmöglichkeit verkehrssicherungspflichtig. Das betrifft insbesondere, aber nicht nur, die Radstrecke, auf der sich an unübersichtlichen Stellen keine Hindernisse wie Bodenschwellen befinden dürfen.

Dann ging es um Ausdauersport wieder etwas allgemeiner:

  • Neben diesen disziplinspezifischen Gefahren ist auch die Besonderheit des Ausdauersports zu berücksichtigen. Typischerweise sind Sportler bei und nach Absolvieren des Triathlons einer starken körperlichen Belastung ausgesetzt. Mit akutem medizinischen Behandlungsbedarf (insbesondere Kreislaufbeschwerden und Dehydration) ist daher zu rechnen. Diese Gefahren sind allerdings nicht verdeckt, sondern zumindest im Ausgangspunkt für den Athleten beherrschbar. Diesem ist es möglich und geboten, seine Kondition durch Training den Anforderungen des Wettkampfs anzupassen und während des Rennens für eine ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit (bei längeren Distanzen auch von Kohlenhydraten) zu sorgen.
  • Jene Eigenverantwortung des Teilnehmers verringert nach den genannten Maßstäben zugleich die Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters. Es ist deshalb ausreichend, wenn dieser sporadisch Streckenposten aufstellt, die zueinander Verbindung aufnehmen können.
  • Eine lückenlose Abdeckung der gesamten Wettkampfstrecke kann hingegen nicht gefordert werden und ist selbst auch auf „kurzen“ Distanzen (hier war allein die Radstrecke über 20 km lang) nicht leistbar.
  • Auch eine Direktverbindung zwischen privaten Streckenposten und Rettungswagen kann nicht verlangt werden. Dies würde den Sinn und Zweck einer schnelle koordinierte, der konkreten Gefahrenlage angepasste Aufgabenverteilung an die vorhandenen Ressourcen untergraben.

Und schließlich ging es um die konkrete Veranstaltung:

  • Maßgeblich sind die Größenordnung und Professionalität der Sportveranstaltung wie auch die örtlichen Gegebenheiten. Vorliegend hat der Veranstalter den Wettkampf als „Jedermann-Triathlon“ beworben. Damit adressiert er gerade Einsteiger. Diese sind potentiell unerfahren und neigen dazu, sich zu überschätzen.
  • Bei dieser Sachlage ist es erforderlich, auf dem Veranstaltungsgelände qualifiziertes medizinisches Personal (nicht aber notwendig ärztliches) vorzuhalten, um eine kurzfristige Erstversorgung für erwartbare starke Erschöpfungszustände zu gewährleisten.
  • Die Eigenverantwortung des Sportlers tritt hier hinter jedoch nicht zurück. Sport ist keine ungefährliche Tätigkeit – auch dann nicht, wenn er im Rahmen eines organisierten Wettkampfes ausgeübt wird. Auch im Amateurbereich muss der Athlet immer ein Restrisiko hinnehmen. Er kann nicht berechtigterweise erwarten, während des gesamten Wettkampfes lückenlos medizinisch überwacht und im Bedarfsfall sofort versorgt zu werden.

Hintergrund dieser Herleitung war die Frage, ob der Veranstalter dafür sorgen müsse, dass sich medizinisches Personal unmittelbar im Zielbereich aufzuhalten habe, ebenso, ob bei höheren Temperaturen bspw. Wasserausgabestellen vorzusehen seien.

Übrigens: An diesem Fall sieht man, wie lange sich Gerichtsverfahren hinziehen können: Der Vorfall geschah 2017, und jetzt, 2023 hatte das Landgericht in der ersten Instanz, und 2024 das Oberlandesgericht in der zweiten Instanz entschieden. Oft wird unterschätzt, dass nach einem Unfall es eine ganze Weile dauern kann, bis alles aufgeklärt bzw. entschieden wird. Und wer Beweise nicht frühzeitig gesammelt hat und sie konserviert, riskiert einen Prozessnachteil alleine dadurch, dass bspw. Aussagen nicht mehr bewiesen werden können.