Kann ein Veranstalter seine Veranstaltung absagen aus moralischen Gründen? Macht er sich dann schadenersatzpflichtig?

Bspw. zu Beginn des Krieges in der Ukraine haben manche Veranstalter ihre Veranstaltungen abgesagt mit dem Argument, man könne angesichts des Leidens und der Gräuel jetzt nicht feiern; andere wiederum haben argumentiert, dass eine Absage nichts am Krieg ändern würde.

Das juristische Problem: Die Moral jedes Einzelnen ist nicht messbar bzw. nicht quantifizierbar.

Die „guten Sitten“ im Gesetz

Moral und Ethik findet sich auch im Gesetz, bspw. in § 138 BGB oder in § 242 BGB, dort spricht man von den „guten Sitten“. Darunter ist die sich aus der „Sittenordnung“ ergebenden Verhaltensgebote im Rahmen der in der Gesellschaft herrschenden Rechts- und Sozialmoral zu verstehen; es ist ein objektiver Maßstab anzulegen, bei dem einerseits besonders strenge, andererseits besonders freizügige Moralvorstellungen einzelner Personen außer Betracht bleiben.

Die „guten Sitten“ beruhen auf der gemeinsamen Überzeugung der zumindest überwiegenden Mehrheit der Angehörigen der Gesellschaft, sie ist nicht in Stein gemeißelt: Der stetige Wandel der sozialethischen Inhalte der herrschenden Moral führt auch zu einem entsprechenden Wandel der aus diesen Wertvorstellungen folgenden Verhaltensanforderungen. Ein bekanntes Beispiel eines solchen Wandels ist Ehe gleichgeschlechtlicher Partner.

Vertragsgestaltung

Wenn man also moralische Ansprüche in einem Vertrag bspw. als Kündigungsmöglichkeit vereinbaren möchte, muss man unterscheiden:

Individualklausel?

Wird die Klausel nur einmal verwendet, in einem speziellen Fall, für einen bestimmten Kunden?

Dann spricht man von einer Individualklausel; gibt es kaum formelle Voraussetzungen, damit die Klausel wirksam ist. D.h. dann wäre auch denkbar, die Möglichkeit bspw. einer Kündigung den subjektiven Moralvorstellungen eines der beiden Vertragspartner zu überlassen. Diese Regelung wirkt dann aber natürlich gegenüber diesem einen Vertragspartner.

AGB?

Soll die Klausel gegenüber mehreren Vertragspartnern verwendet werden, spricht man von einer Allgemeinen Geschäftsbedingung (AGB). Eine Voraussetzung, damit AGB wirksam sind, ist die Transparenz: Der andere Vertragspartner muss wissen, worauf er sich einlässt, d.h. die Moral muss man messbar machen, d.h. möglichst konkrete Parameter beschreiben.

Gründe, die bspw. zu einer Kündigung bzw. ein Abbruch der Veranstaltung aus moralischen Gründen führen können, können z.B. sein:

  • In unmittelbarer Nachbarschaft kommt es zu einem schrecklichen Unfall mit vielen Toten.
  • Ein Krieg zwischen zwei Staaten bricht aus.
  • Das Staatsoberhaupt verstirbt.
  • Im eigenen Unternehmen verletzen sich mehrere Mitarbeiter bei einem Autounfall schwer.
  • Im Laufe einer kleineren Veranstaltung kommt es zu einem Unfall, ein Gast wird schwer verletzt in eine Klinik gebracht.
  • Ein Beteiligter der Veranstaltung macht rassistische Aussagen.
  • Aktivisten drohen mit Blockade oder Shitstorm.
  • Erwartungsdruck von außen („wie könnt ihr nur?“).

Sie sehen: Es gibt durchaus Gründe, die „messbar“, andere hingegen sehr subjektiv sind.

Der Vollständigkeit halber: Manche Ereignisse können je nach Eskalation auch darin münden, dass die Durchführung der Veranstaltung unmöglich wird: Bspw. weil die Location unerreichbar geworden ist, oder wichtiges Personal weggefallen ist, das nicht ersetzt werden kann. In diesen Fällen kommt es auch nicht mehr auf Moral an, sondern auf vertragliche oder gesetzliche Bestimmungen zur Unmöglichkeit.

Überlegen Sie sich, ob es in Ihrem Alltag Ereignisse geben kann, bei denen moralische Ansprüche oder zumindest Bedenken laut werden können. Es kann dann sinnvoll sein, zu prüfen, ob vertragliche Klauseln realisierbar sind.