Der Bereich eines Notausganges muss so beschaffen sein, dass die sich in einem Gebäude aufhaltenden Personen dieses bei Auftreten eines Notfalles ungefährdet verlassen können. Solch ein Grundsatz macht auch Sinn, denn ansonsten müsste man ja die Funktion des Notausgangs in Frage stellen.
In einem Prozess vor dem Oberlandesgericht Celle spielte das eine große Rolle. Dort war eine Zuschauerin bei einer Tanzveranstaltung gestürzt, als sie die Notausgangstür einer Sporthalle öffnete und hinausging. Sie hatte nicht gesehen, dass aufgrund von Bauarbeiten hinter dem Notausgang nicht unerhebliche Bodenunterschiede bestanden.
Das Oberlandesgericht entschied zugunsten der Frau. Gerade bei einem Notausgang gelten strenge Maßstäbe: Denn gerade bei einem Notfall verlassen Besucher eines Gebäudes dieses fluchtartig und können deshalb Einzelheiten der Örtlichkeit in der Regel nicht sorgfältig in den Blick nehmen. Deshalb müssen der Notausgang und der Bereich außerhalb der Notausgangstür so beschaffen sein, dass Menschen auch in einer Ausnahmesituation das Gebäude sicher verlassen können.
Das Gericht verweist dabei auch auf die Technischen Regeln für Arbeitsstätten, konkret die ASR A2.3 (Fluchtwege und Notausgänge), in der es u.a. heißt:
„Fluchtwege dürfen keine Ausgleichsstufen enthalten. Geringe Höhenunterschiede sind durch Schrägrampen mit einer maximalen Neigung von 6% auszugleichen.“
Das Oberlandesgericht setzte sich auch mit der spannenden Frage auseinander, inwieweit der Betreiber der Sporthalle haftet, obgleich doch der Notausgang nur für den Notfall gedacht sei. Da es aber erfahrungsgemäß so sei, dass Notausgänge auch außerhalb eines Notfalls benutzt würden und die Möglichkeit dazu nicht unwahrscheinlich ist, muss der Betreiber auch damit rechnen. Im konkreten Fall wollte die Frau die Luft in der Halle verbessern, indem sie die Tür öffnete. Mit solchen Vorkommnissen muss gerechnet werden, damit muss auch der Betreiber als Verkehrssicherungspflichtiger entsprechende Vorkehrungen treffen – also dafür sorgen, dass keine erhebliche Bodenunterschiede direkt hinter dem Notausgang bestehen.
Mitverschulden, wer unachtsam durch die Tür geht?
Der Frau machte das Oberlandesgericht auch keinen Vorwurf: Es sei durchaus normal, dass man bei einer sich in Gehrichtung öffnenden Tür auch die Türschwelle überschreitet und nicht stehen bleibt, um den Bereich hinter der Türschwelle zunächst in Augenschein zu nehmen. Dies gilt umso mehr für einen Notausgang: Denn gerade Personen, die den Notausgang im Notfall nutzen müssen, haben nicht die Zeit und Muße, sich erst zu vergewissern, ob es Bodenunebenheiten gibt oder nicht. Das ist auch dem Nutzer des Notausgangs außerhalb eines Notfalls bekannt, weshalb er sich darauf verlassen darf, dass sich direkt hinter dem Notausgang keine Gefahrenstelle befindet.