Der eine oder andere hat es vielleicht mitbekommen: Beim Aufwärmtraining vor dem EM-Eröffnungsspiel hat ein deutscher Spieler versehentlich den Ball am Tor vorbeigeschossen und dabei einen Zuschauer an der Hand getroffen, für die später ein Bruch diagnostiziert wurde.

Medien hatten daraufhin bei der UEFA als Veranstalter nachgefragt, warum die ursprünglich hinter dem Tor hängenden Netze abgehängt wurden. Die UEFA teilte am späten Dienstagabend mit, im Sinne des Zuschauererlebnisses werde bei der UEFA EURO 2024 in allen Stadien auf Netze hinter den Toren verzichtet. „Dies geschieht auch vor dem Hintergrund, dass das Risiko von Wurfgegenständen bei diesem Turnier und generell bei einer EURO als niedrig eingestuft wird“, so die UEFA-Pressestelle gegenüber LTO. Die Pressestelle erklärte gegenüber LTO weiter, dass aus ihrer Sicht sich die Verkehrssicherungspflicht bei einer Sportstätte grundsätzlich nicht darauf beziehe, Teilnehmende (auch Zuschauer) vor solchen Gefahren zu schützen, und verweist auf ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen beim Ticketkauf sowie die Stadienordnung.

Nehmen wir diesen Vorfall zum Anlass, zu fragen: Wenn eine erprobte Sicherheitsmaßnahme entfernt wird, hat dies dann Auswirkungen auf die Haftung, wenn nun wegen des Fehlens etwas passiert?

Die Netze hinter dem Tor dienen wohl originär dem Schutz der Zuschauer vor den mit bis zu 145 km/h schnellen Bällen zu schützen. Teilweise dient es wohl auch dem Schutz der Spieler vor Wurfgeschossen. So oder so, ein Netz gerade hinter dem Tor ist eine sinnvolle Maßnahme.

Man kann im Rahmen der Verkehrssicherungspflichten auch nicht argumentieren, dass der Besucher hinter dem Tor freiwillig das Risiko eingehe, von einem Ball getroffen zu werden. Denn das Risiko eines Abschusses ist nicht nur hoch, sondern kann auch immense Auswirkungen haben, so dass der Veranstalter vorrangig verpflichtet wäre, einen Schutz einzurichten – der ja zudem auch unschwer möglich ist.

Im konkreten Beispiel der UEFA kommt hinzu, dass der Besucher ggf. auch nicht damit rechnen muss, dass eine tradierte Sicherheitsmaßnahme (das Netz) entfernt wurde, um das Zuschauererlebnis zu steigern. D.h. wenn, hätte die UEFA beim Ticketkauf auf das zusätzliche, erheblich gesteigerte Risiko in aller Deutlichkeit hinweisen müssen: „Achtung, für die Plätze hinter den Toren wurden die Sicherheitsnetze entfernt; es besteht daher die Möglichkeit, dass bei Fehlschüssen ein Zuschauer von einem Ball getroffen wird. Ein Ball kann dabei Geschwindigkeiten von bis zu 145 km/h erreichen, weshalb eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben besteht.“

Nun, solch einen Gefahrenhinweis will man als Veranstalter wohl aber auch nicht haben… aber dann sollte man umgekehrt auch nicht das Netz entfernen.

Wieder weg von dem konkreten Vorfall: Natürlich ist es nicht verboten, eine Sicherheitsmaßnahme zurückzubauen. In diesem Fall aber sollte das gut überlegt und begründet sein; finanzielle Fragen oder dramaturgische Aspekte sollten dabei außen vor bleiben. Und natürlich kann man auch seine Meinung ändern: Wenn man bspw. anfänglich ein Risiko als hoch eingeschätzt hatte, kann man dasselbe Risiko später durchaus aus gering einstufen; aber auch hier gilt, dass man den Meinungswechsel gut – am besten faktenbasiert – begründen sollte.