Derjenige, der eine Gefahrenlage (z.B. eine Veranstaltung bzw. Lärm) schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.
Bezüglich der Verkehrssicherung bei Lärm in der Veranstaltung sagt der Bundesgerichtshof:
„Maßnahmen, die geeignet sind, eine gesundheitsgefährliche Lautstärke der Musik aufzuzeigen, können insbesondere Bestandteil der notwendigen Vorkehrungen zum Schutz der Konzertbesucher vor Schädigungen und damit Gegenstand der Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters sein“.
Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht wird freilich nicht allein durch DIN-Normen bestimmt. Wie jeder, der eine Gefahrenquelle für andere eröffnet, hat auch der Veranstalter einer Musikdarbietung grundsätzlich selbstständig zu prüfen, ob und welche Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung von Schädigungen der Zuhörer notwendig sind; er hat die erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen, auch wenn gesetzliche oder andere Anordnungen, Unfallverhütungsvorschriften oder technische Regeln wie DIN-Normen seine Sorgfaltspflichten durch Bestimmungen über Sicherheitsmaßnahmen konkretisieren.“
Die relevante DIN-Norm ist die 15905 Teil 5 „Tontechnik in Theatern und Mehrzweckhallen” (ich kann sie hier nicht verlinken bzw. veröffentlichen, weil sie urheberrechtlich geschützt ist).
Der Veranstalter ist nicht verpflichtet, sich an die DIN-Norm zu halten. Tut er es aber nicht, dann muss der geschädigte Besucher nur noch behaupten, dass der Veranstalter verantwortlich sei – und nicht mehr, dass und welche konkreten Pflichten er verletzt hat und dass diese kausal ursächlich für seinen Hörschaden sind. Juristisch nennt sich das „Beweis des ersten Anschein“, der dafür spricht, dass der Hörschaden in örtlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Pflichtenverstoß verursacht ist. Dem Veranstalter bliebe die Erschütterung des Anscheinsbeweises vorbehalten; er müsste dann beweisen, dass die Schäden nicht auf die Verletzung der DIN-Norm zurückzuführen sind bzw. dass er eine Alternative gewählt hat, die genauso geeignet ist/war wie die DIN-Norm, den Schaden zu verhindern.
Haftet auch der Location-Vermieter?
Es gibt eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz aus dem Jahr 2001, in dem das Gericht nicht nur dem Veranstalter, sondern auch dem Betreiber die Verantwortung für einen Hörschaden eines Besuchers zugewiesen hatte.
Dieses Urteil bedeutet aber nicht, dass automatisch der Betreiber der Versammlungsstätte bzw. der Vermieter mitverantwortlich sei. Denn: In dem vom OLG Koblenz entschiedenen Fall ging es um die Sonderkonstellation zwischen Tourveranstalter und örtlicher Veranstalter, d.h. im konkreten Fall wurde der Betreiber der Location vertraglich ausdrücklich als Veranstalter bezeichnet und es gab Absprachen, die über die reine Raumüberlassung hinaus die Abwicklung der Veranstaltung geregelt hatten.
Stellt aber ein Betreiber nur seine Location im Rahmen eines Mietvertrages zur Verfügung, ist er nicht für den Lärmschutz der Besucher der (von ihm nicht veranstalteten) Veranstaltung verantwortlich.