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Vertrag mit Künstler: Dienstvertrag oder Werkvertrag?

Von Thomas Waetke 10. Februar 2014

Zwischen dem Veranstalter und Künstler wird ein „Konzertvertrag“ geschlossen, den man auch „Engagementvertrag“, „Gastspielvertrag“ usw. nennen kann. Rein rechtlich kann es sich dabei um einen Werk- oder ein Dienstvertrag handeln. Der Unterschied, ob es ein Werkvertrag (§ 631 BGB) oder ein Dienstvertrag (§ 611 BGB) ist, ist erheblich: Würden die beiden einen Werkvertrag schließen, könnte der Veranstalter bspw. Gewährleistungsansprüche gegen den Künstler geltend machen (bspw. die Gage mindern); wäre es aber ein Dienstvertrag, dann hätte der Veranstalter keine Gewährleistungsansprüche, da das Dienstvertragsrecht keine solchen Ansprüche kennt. In diesem Beitrag schauen wir uns die Differenzierung genauer an – und dabei macht die Rechtsprechung leider kein allzu gutes Bild…

Grundsätzliches: Dienstvertrag oder Werkvertrag

Bei einem Werkvertrag wird ein Erfolg versprochen: Tritt der Erfolg nicht vollständig ein, kann der Auftraggeber die Vergütung mindern, Nacherfüllung verlangen usw.

Bei einem Dienstvertrag wird eine Leistung versprochen: Dabei ist der Auftragnehmer verpflichtet, sein Bestes zu geben: Solange er sein Bestes gibt, spielt es dann keine Rolle, ob der gewünschte bzw. erhoffte Erfolg eintritt: Denn der Auftragnehmer schuldet ja gerade nicht den Erfolg (sonst Werkvertrag), sondern nur den „Versuch“.

Aktuelle Entscheidung des BAG

Die Gerichtsurteile zu konkreten Fällen sind dabei leider wenig hilfreich. Allerdings hilft eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Az. 10 AZR 282/12). In den Entscheidungsgründen finden sich dann lesenswerte Ausführungen dazu, die wir hier aufgeschlüsselt dargestellt haben:

  • Legen die Parteien die zu erledigende Aufgabe und den Umfang der Arbeiten konkret fest, kann das für das Vorliegen eines Werkvertrags sprechen.
  • Fehlt es an dagegen einem abgrenzbaren, dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbaren und abnahmefähigen Werk, kommt ein Werkvertrag kaum in Betracht, weil der „Auftraggeber“ durch weitere Weisungen den Gegenstand der vom „Auftragnehmer“ zu erbringenden Leistung erst bestimmen und damit Arbeit und Einsatz erst bindend organisieren muss.
  • Richten sich die vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen nach dem jeweiligen Bedarf des Auftraggebers, so kann auch darin ein Indiz gegen eine werk- und für eine arbeitsvertragliche Beziehung liegen, etwa wenn mit der Bestimmung von Leistungen auch über Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit entschieden wird. Wesentlich ist, inwiefern Weisungsrechte ausgeübt werden und in welchem Maß der Auftragnehmer in einen bestellerseitig organisierten Produktionsprozess eingegliedert ist. Zwar steht auch einem Werkbesteller gegenüber dem Werkunternehmer das Recht zu, Anweisungen für die Ausführung des Werks zu erteilen. Davon abzugrenzen ist aber die Ausübung von Weisungsrechten bezüglich des Arbeitsvorgangs und der Zeiteinteilung. Weisungen, die sich ausschließlich auf das vereinbarte Werk beziehen, können im Rahmen eines Werkvertrags erteilt werden; wird die Tätigkeit aber durch den „Besteller“ geplant und organisiert und wird der „Werkunternehmer“ in einen arbeitsteiligen Prozess in einer Weise eingegliedert, die eine eigenverantwortliche Organisation der Erstellung des vereinbarten „Werks“ faktisch ausschließt, liegt ein Arbeitsverhältnis nahe.

Übersetzt in die Sprache zwischen Veranstalter und Künstler heißt das:

  • Ein Werkvertrag kann vorliegen, wenn der Künstler eine ihm zurechenbare Leistung erbringt und sich diese in einem von den Vertragsparteien vorgegeben Rahmen bewegt. Dies erfordert, dass der Künstler gewisse gestalterische Freiheiten haben muss, mit denen er sich in dem vorgegeben Rahmen frei bewegen kann. Der Veranstalter kann „Weisungen“ erteilen, die die Ausführung des Vertrages betreffen, aber nicht das Ergebnis betreffen dürfen.
  • Es wird hingegen ein Dienstvertrag gegeben sein, wenn der Veranstalter über diesen Rahmen hinaus konkrete Anforderungen an den Inhalt der Show stellt. Je konkreter der Veranstalter also das Programm vorgibt (bspw. die Songauswahl), desto eher spricht das für einen Dienstvertrag – denn umso mehr befolgt der Künstler dann lediglich die Weisungen des Veranstalters, und dies ist eben typisch für einen Dienstvertrag.

Andere Urteile

In den vorliegenden bzw. veröffentlichten Entscheidungen zu dieser Frage fällt auf, dass nahezu inhaltsgleich vorangehende Entscheidungen zitiert werden, um die eigene Auffassung zu stützen.

Tatsächlich finden sich in diesen Entscheidungen einzelne Passagen, die das jeweilige neuere Urteil zu stützen scheinen. Dabei fällt aber auch ins Auge, dass die Gerichte diese Entscheidungen offenbar nicht oder nur in den Leitsätzen gelesen haben, das sich durchgehend aus den jeweiligen Entscheidungsgründen anderes ergibt.

Beispielhaft sei hierfür das Urteil des AG Brandenburg (31 C 59/11) herausgegriffen.

Das AG Brandenburg hat entschieden: „Hiervon zu unterscheiden sind jedoch Verträge der vorliegenden Art, die mit Orchestern, Ensembles oder auch mit Alleinunterhaltern über die Aufführung selbst geschlossen werden, da diese einen werkvertraglichen Charakter haben.“

Um diese Auffassung zu stützen, bemüht das Gericht (andere aber auch) letztlich fälschlicherweise folgende Entscheidungen:

1.) OLG München (7 U 3802/02)

Das Oberlandesgericht München hat gesagt:

„… Zwar handelt es sich bei dieser Orchesteraufführung um eine auf die vereinbarten Künstler zugeschnittene Werkleistung. …“

Auf den ersten Blick scheint das OLG München also von einem Werkvertrag auszugehen. Aus dem Tatbestand ergibt sich aber das Entscheidende: Es ging nämlich um die Frage, ob der Dirigent eines Orchesters ausgetauscht werden könne.

Das OLG München sah, m.E. richtigerweise, in der Leistung des Dirigenten, ein Orchester zu dirigieren, eine werkvertragliche Leistung, mithin einen Erfolg. Man kann auch sagen: Der Erfolg besteht darin, dass der Dirigent die mehreren Orchester-Einzelmusiker zusammenhalten soll. Nur, wenn er das schafft, tritt der Erfolg „Orchester spielt zusammen“ ein.

2.) OLG Köln (19 U 262/93)

Das Oberlandesgericht Köln schreibt in seinem Urteil tatsächlich:

„Denn nach dessen Inhalt hatte sich die Künstlergruppe zur Erbringung einer bestimmten, schon im vorhinein im wesentlichen festliegenden künstlerischen Leistung in Form einer Varieté-Aufführung verpflichtet, so daß eine bestimmte künstlerische Wertschöpfung als Erfolg geschuldet wurde.“

Aber auch hier hat das zitierende AG Brandenburg den Tatbestand nicht berücksichtigt: Die Künstler hatten nämlich dem Veranstalter im Vorfeld ein Video ihrer verschiedenen Programme geschickt, die sie als Showelemente bieten könnten. Der Veranstalter wählte einen konkreten Showteil aus, und vereinbarte 14 Aufführungs-Termine.

Dies hat wohl zweifelsfrei werkvertraglichen Charakter, da die Künstler aber noch einen ausreichenden Rahmen haben, in dem sie sich künstlerisch betätigen können.

3.) AG München (224 C 33358/10)

Das Amtsgericht München hat das u.a. entschieden:

„Der Vertrag über die Herstellung und Installation eines Kunstwerks – hier: Hinterglasbild für Treppenhausfenster mit Projektions-Parallelogramm – ist als Werkvertrag einzuordnen“.

Aber auch hier ist es falsch, lediglich diese Passage für die pauschale Annahme eines Werkvertrages heranzuziehen, da es in den weiteren Entscheidungsgründen nämlich heißt: „Dass vorliegend ein Werkvertrag in Form eines Bestellvertrags vereinbart wurde, in welchem sich der Künstler, bzw. vorliegend die Klägerin, verpflichtet ein Werk nach ganz bestimmten Vorgaben des Bestellers zu schaffen, konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts dargetan werden. Die Kunstfreiheit des Künstlers bezüglich des Hinterglasbildes wurde nicht auf die Verwendung bestimmter Farben und Formen beschränkt. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte konnte nicht zu Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass, über den schriftlichen Vertrag hinausgehend, eine Beschränkung des Künstlers auf eine ganz bestimmte Form des herzustellenden Kunstwerks vereinbart worden wäre.“

Diese Argumentation entspricht denn auch der Definition des Bundesarbeitsgerichts; auch das Urteil des AG München kann damit nicht der pauschalen Begründung eines Werkvertrages dienen

4.) OLG Karlsruhe (1 U 307/89)

Aus unerfindlichen Gründen wird auch eine Entscheidung des OLG Karlsruhe bemüht, ebenso übrigens in einer Vielzahl weiterer Publikationen, ohne dass das OLG Karlsruhe auch nur ansatzweise begründet hätte, warum es in dem konkreten Fall von einem Werkvertrag ausging. So heißt es dort nur:

„Die beklagte Konzertagentur hatte die klägerischen Künstler – Mitglieder eines Streichquartetts – für ein Gastspiel engagiert. … Der von den Parteien geschlossene Vertrag ist ein Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB.“

Es ist nicht ersichtlich, ob die Frage der vertraglichen Einordnung (1.) überhaupt vom OLG Karlsruhe als problematisch erkannt wurde oder (2.) für das Gericht überhaupt entscheidungserheblich war: In dem Verfahren ging es nämlich um die Verantwortung des Veranstalters für die Künstlergarderobe, ausweislich der Entscheidungsgründe dürfte es also unerheblich sein, ob der zugrundeliegende Engagementvertrag als Werkvertrag oder als Dienstvertrag zu qualifizieren war.

5.) Bundesgerichtshof (VI ZR 147/54)

Auch die gern zitierte ältere Entscheidung des BGH vom 24.01.1956 vermag keine pauschale Einordnung zu erlauben; auch hier haben zitierende Entscheidungen lediglich eine kurze Passage des Urteils herausgegriffen, ohne die folgenden Passagen im Urteil zu berücksichtigen.

Leitsatz 1 lautet:

„Der Künstler genießt grundsätzlich im Rahmen eines Werk- oder Werklieferungsvertrags eine Gestaltungsfreiheit, die seiner künstlerischen Eigenart entspricht und es ihm erlaubt, in seinem Werk seiner individuellen Schöpferkraft und seinem Schöpferwillen Ausdruck zu verleihen.“

Dieser Leitsatz muss aber im Kontext der Entscheidungsgründe gesehen werden. Dort heißt es zunächst nicht überraschend:

„Der künstlerisch Schaffende genießt grundsätzlich im Rahmen eines Werk- oder Werklieferungsvertrags eine Gestaltungsfreiheit, die seiner künstlerischen Eigenart entspricht und es ihm erlaubt, in seinem Werk seiner individuellen Schöpferkraft und seinem Schöpferwillen Ausdruck zu verleihen. Wer einen Künstler mit der Herstellung eines Kunstwerks beauftragt, muß sich vorher mit dessen künstlerischen Eigenarten und Auffassungen vertraut machen. Er darf die Abnahme des fertiggestellten Werks nicht deshalb verweigern, weil es nicht seinem Geschmack entspricht. Der Gestaltungsfreiheit des Künstlers entspricht das Risiko des Bestellers, ein Werk abnehmen zu müssen, das ihm nicht gefällt. Das den vereinbarten Zweckgedanken und die tragende Idee zum Ausdruck bringende Kunstwerk stellt daher grundsätzlich das versprochene Werk im Sinne § 631 Abs. 1 BGB dar.“

Und weiter:

„Der Künstler kann jedoch, entgegen der Ansicht der Revision, seine Gestaltungsfreiheit vertraglich beschränken und sich verpflichten, ein Werk nach einem von ihm gefertigten, vom Besteller genehmigten Entwurf herzustellen.“

Es folgt dann aber die maßgebliche Passage:

„Raum für die Betätigung seiner künstlerischen Gestaltungsfreiheit bleibt ihm alsdann bei der Herstellung des Entwurfs. In diesem Falle ist der Besteller des Risikos enthoben, ein wesentlich von dem Entwurf abweichendes Kunstwerk abnehmen zu müssen. Die Annahme, daß der Beklagte als Künstler eine solche Beschränkung auf sich genommen habe, verstößt nicht, wie die Revision meint, gegen jede Erfahrung; gerade wenn es sich um ein nach Zweck und Ideengehalt so ausgeprägtes Werk wie ein Kirchenfenster handelt, wird der Künstler sich in aller Regel für gebunden halten, die Ausführung entwurfsgetreu zu gestalten.“

Diese ältere Entscheidung des BGH entspricht in der Konsequenz der eingangs genannten neueren Entscheidung des BAG: Je mehr die künstlerische Freiheit eingeschränkt wird, desto eher liegt ein Dienstvertrag vor.

Fazit zu den zitierten Entscheidungen:

Die oft zitierten Entscheidungen geben bei genauer Betrachtung nicht das wider, wozu sie zitiert werden. Hier handelt es sich offenbar jeweils um ein sog. Kettenblindzitat.

Ohnehin fällt es schwer, einen Absolutismus dergestalt herzustellen, dass der Vertrag zwischen Veranstalter und Künstler entweder ein Dienst- oder ein Werkvertrag ist: Es kommt vielmehr auf den Einzelfall an. Zur Beurteilung des Einzelfalls können insbesondere die genannten Entscheidungen des BGH und des BAG herangezogen werden.

Auch das OLG Hamm (Az. 4 U 125/07) bläst in dasselbe Horn:

„Der zwischen den Parteien zu Stande gekommene Werkvertrag in Form eines Bestellvertrags für ein Kunstwerk sieht gerade vor, dass der Besteller keinen Einfluss auf den Schöpfungsprozess nehmen darf. Mithin ist ein Letztentscheidungsrecht des Bestellers gerade ausgeschlossen.“

Fazit: Wann Werkvertrag, wann Dienstvertrag?

Das bedeutet für die Frage, ob es sich bei dem Vertrag zwischen Veranstalter und Künstler um einen Werkvertrag oder einen Dienstvertrag handelt:

  • Es kommt auf den Einzelfall an.
  • Welches Rechtsverhältnis vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist Letztere maßgebend.

Folgende Abstufung kann man wohl vornehmen:

  • Dienstvertrag kann bejaht werden: Vertrag mit Künstlern, die ohne selbst ihrem Auftritt einem schöpferisch erkennbaren Rahmen zu geben, letztlich nur das Vorgegeben umsetzen (deutliches Beispiel: Die Orchestermusiker, die den Vorgaben des Dirigenten folgen).
  • Werkvertrag kann bejaht werden: Vertrag mit Künstlern, der einen Rahmen vorgegeben bekommt, in dem er sich aber noch künstlerisch bewegen kann und damit dem Erfolg letztlich seine künstlerische Note gibt.
  • Wiederum wäre aber ein Dienstvertrag anzunehmen, wenn der vom Veranstalter vorgegebene Rahmen zu eng wird und kein Raum mehr für künstlerische Entfaltung bleibt. Je konkreter also die Programminhalte vorgegeben werden, desto mehr spricht für einen Dienstvertrag.
    • Allein bestimmte Vorgaben des Veranstalters sind für die Annahme als Werkvertrag grundsätzlich unschädlich, insbesondere dann, wenn sie nur den Rahmen vorgeben (z.B. Zeit).
    • Auch unschädlich für die Annahme eines Werkvertrages ist, wenn der Künstler einen Entwurf vorzulegen hat, den der Veranstalter absegnet und zur Realisierung freigibt.
    • Der Künstler muss dann aber zumindest in der Lage sein, den Entwurf selbst und selbst-schöpferisch auszugestalten (quasi die „Show vor der Show“ selbst zu gestalten).

 

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