Sind der Betreiber und/oder der Verantwortliche für Veranstaltungstechnik in einer Versammlungsstätte verantwortlich für die vom Veranstalter eingebrachte Technik? Bzw. sind sie verantwortlich für die in der Location aufgebauten Messestände? Die Antwort auf diese Frage hat erhebliche Auswirkungen:
- Bejaht man diese Frage, dann treffen Betreiber und/oder VfV erhebliche Pflichten und Haftungsrisiken.
- Verneint man diese Frage, sollten Betreiber und VfV tunlichst überlegen, ob Sie bspw. aufgrund alter Gewohnheit auch weiterhin die Aufsicht führen und sich in die Aufbauten einmischen.
Zunächst einmal: Die Antwort ist alles andere als einfach.
1.) Ein Blick in´s Gesetz erleichtert die Rechtsfindung?
Ich beginne mit einem Blick in die maßgeblichen Vorschriften. Man stellt dann allerdings schnell fest, dass man danach auch nicht wirklich schlauer ist:
„Der Betreiber ist für die Sicherheit der Veranstaltung und die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich“ (§ 38 Abs. 1 MVStättVO).
„Der Betreiber ist zur Einstellung des Betriebes verpflichtet, wenn für die Sicherheit der Versammlungsstätte notwendige Anlagen, Einrichtungen oder Vorrichtungen nicht betriebsfähig sind“ (§ 38 Abs. 4 MVStättVO).
„Der Betreiber kann (…) übertragen, wenn dieser oder dessen beauftragter Veranstaltungsleiter mit der Versammlungsstätte und deren Einrichtungen vertraut ist“ (§ 38 Abs. 5 MVStättVO).
„Die Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik müssen mit den bühnen-, studio- und beleuchtungstechnischen und sonstigen technischen Einrichtungen der Versammlungsstätte vertraut sein und deren Sicherheit und Funktionsfähigkeit, insbesondere hinsichtlich des Brandschutzes, während des Betriebs gewährleisten“ (§ 40 Abs. 1 MVStättVO).
„Die Anwesenheit (…) ist nicht erforderlich, wenn die Sicherheit und Funktionsfähigkeit der bühnen-, studio– und beleuchtungstechnischen sowie der sonstigen technischen Einrichtungen der Versammlungsstätte vom Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik überprüft wurden“ (§ 40 Abs. 5 Nr. 1 MVStättVO).
Wir sprechen hier von Vorschriften aus dem Sonderbaurecht, also nur aus einem einzigen Regelwerk, noch dazu „nur“ von einer Verordnung (und nicht von einem Gesetz). Der Betreiber, im Regelfall der Vermieter der Location, möchte von Berufs wegen seine Location gewinnbringend vermieten. Der Veranstalter, der eigentliche Veranlasser des Risikos „Veranstaltung“, will gewinnbringend seine Veranstaltungen durchführen. Warum soll der Betreiber über das Sonderbaurecht hinaus Verantwortung für eine fremde Veranstaltung (und deren Technik) übernehmen?
2.) Ein Blick auf die Rechtsfolgen:
Würde man dies bejahen, muss man an die Rechtsfolgen denken: Der Betreiber, respektive sein VfV, würde eine Prüffunktion einnehmen müssen, die nicht einmal die Behörden haben. Durch die Hintertür des Sonderbaurechts würde man dem Betreiber (und seinem VfV) die (Mit-)Verantwortung für das Tun und Lassen des Veranstalters aufbürden. Wir denken daran: Also der Person, die eigentlich nur eine Location vermieten möchte. Ein Vergleich zur Autovermietung: Der Autovermieter ist für den sicheren Zustand des Fahrzeugs verantwortlich: Die Bremsen und das Licht müssen funktionieren. Wenn aber der Mieter meint, mit dem Auto zu schnell zu fahren oder es falsch beladen zu müssen, kann das nicht dem Vermieter angelastet werden. Ja, der Vergleich hinkt etwas, aber auch nur etwas.
Das Sonderbaurecht ist, neben einzelnen Unfallverhütungsvorschriften oder DIN-Normen, auch das einzige Regelwerk, das sich mit der Sicherheit von Aufbauten in einer Versammlungsstätte beschäftigt. Immerhin, die MVStättVO ist damit das einzige Regelwerk, das der Gesetzgeber erlassen hat. Zu Lasten des Veranstalters gibt es solch ein Regelwerk aber nicht. Man könnte nun daraus schließen, dass der Gesetzgeber diese Verantwortung eben nicht dem Veranstalter in die Schuhe schieben will, sondern dem Betreiber. Aber: Aus welchem Grund? Es gibt ja keine „Not“, aus der heraus der Betreiber für Tun und Lassen seines Vertragspartners „Veranstalter“ mitverantwortlich gemacht werden müsste. Schließlich gibt es ja den Veranstalter, der aus zweierlei Gründen für die Sicherheit „seiner“ Veranstaltung(-stechnik) verantwortlich ist: Einmal aus seinem Vertrag mit dem Besucher, und einmal aus der sog. unerlaubten Handlung (§ 823 BGB). Es gibt also keinen gesetzgeberisch notwendigen Grund, daneben noch den Betreiber in die Verantwortung zu nehmen, der kraft seines Berufs „nur“ vermieten möchte. M.E. wäre das ein (zu) erheblicher Eingriff in die Berufsfreiheit des Betreibers durch die Hintertür des Sonderbaurechts.
3.) Betreiberhaftung für die Auswahl und Aufbau der Technik?
Der Betreiber hat oftmals keinen natürlichen Zugang zur Auswahl der veranstalterseitigen Technik; er müsste sich früh innerhalb des Planungsprozesses in die technischen Planungen des Veranstalters einbringen – bzw. diese sogar „führen“, wenn er augenscheinlich die Verantwortung via §§ 38, 40 MVStättVO zu übernehmen hätte. Ich erinnere: Er möchte „nur“ seine Location vermieten. Der Betreiber müsste beim Aufbau und im Laufe der Veranstaltung ständig diese Führungsaufgabe aufrecht erhalten – obwohl er nur vermieten wollte. Auch der Autovermieter ist nicht mehr für das Verhalten des Mieters verantwortlich, wenn der mit dem Mietwagen vom Gelände fährt. Und: Naturgemäß gibt es selten Einigkeit über „richtig“ und „falsch“, über „sicher“ und „unsicher“. Der Betreiber könnte in die unschöne Lage geraten, die fremde Veranstaltung abzubrechen oder umzubauen – in der Annahme, er sei für die fremde Technik und fremde Einbauten mit verantwortlich. Die für den Betreiber unkalkulierbare Folge: Der Veranstalter könnte im Nachgang Schadenersatzansprüche geltend machen. Der Betreiber würde also quasi ersatzweise für die Behörde zu einer Kontrollstelle erhoben, stünde aber voll im Risiko eines Regressanspruchs. Zum Vergleich: Wenn die Behörden einen Fehler machen, gibt es nur einen Anspruch gegen das Land/den Bund. Dieser Anspruch unterliegt aber – wenig verwunderlich – gewissen Beschränkungen. Der Regressanspruch des Betreibers, würde er aus Übervorsicht beim Veranstalter einen Schaden verursachen, ist aber gesetzlich nicht beschränkt. Warum aber soll ein Privater, der (würde man die Eingangsfrage bejahen) letztlich Kontrollaufgaben des Staates bzw. eines Dritten übernimmt, unbeschränkt haften, während der Staat sich auf sein Genehmigungsverfahren, die dortige Schlüssigkeitsprüfung und sein Haftungsprivileg zurückzieht? Natürlich kann der Gesetzgeber einer Person X gewisse Verantwortungen zuweisen. Aber: Würde die Ausgangsfrage bejaht, müsste sich wie dargestellt der Betreiber erheblich in die Veranstaltungsplanung seines Mieters einmischen und sähe sich erheblichen Regressforderungen ausgesetzt.
4.) Der Arbeitsschutz
Dies gilt umso mehr, wenn der Betreiber einen Mitarbeiter als VfV bestellen muss – und dieser Mitarbeiter ja dann auch strafrechtlich in die Mitverantwortung für Tun und Lassen des Veranstalters mit hineingezogen würde. Den Betreiber treffen bekanntlich auch Pflichten aus dem Arbeitsschutz zu Sicherheit und Gesundheit seiner Mitarbeiter. Würde man die Ausgangsfrage aber bejahen, würde der VfV ein Risiko tragen, das auch nicht mit dem in § 39 MVStättVO geforderten Meister-Titel gerechtfertigt werden kann. Denn warum sollte einem sozialversicherungspflichtig abhängig beschäftigten VfV das Vort-Ort-Risiko des Vertragspartners seines Arbeitgebers aufgebürdet werden?
5.) Gesetzgeberische Mängel?
Ein weiteres Argument: Hätte der Gesetzgeber diese Rechtsfolge gewollt, hätte er diese im Sonderbaurecht deutlicher formulieren müssen. Dies hat er letztlich nur in § 38 Abs. 1 MVStättVO getan: „Der Betreiber ist für die Sicherheit der Veranstaltung und die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich.“ Aber auch hier stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber ernsthaft gemeint haben kann, dass der Betreiber tatsächlich „für alles“ verantwortlich sein soll. Denn dann müsste der Betreiber auch für steuerrechtliche Aspekte der Veranstaltung verantwortlich sein: Das ergäbe sich aus der Formulierung „Einhaltung der Vorschriften“. Würde man aus dem Wortlaut tatsächlich die umfassende Verantwortung herauslesen wollen, muss sie sich auch auf das Steuerrecht, das Handelsrecht, das Zollrecht usw. beziehen. Jeder wird mir wohl recht geben, dass das „zu viel des Guten“ wäre. Also: Offenkundig muss diese Formulierung eingeschränkt werden. Allein der Wortlaut also kann nicht maßgeblich sein. Das bedeutet aber, dass die gesetzliche Formulierung schon wieder zu unscharf ist, als dass man damit dem Betreiber (der, der eigentlich „nur“ vermieten will) derart umfassende Risiken aufbürden dürfte. Gehen wir mal vom klassischen Konzert zu einer Messe mit hunderten Ausstellern. Wie soll – tatsächlich – der Betreiber für die Sicherheit der hunderten Ausstellungsstände (mit)verantwortlich sein, wenn er doch gar keine Möglichkeit auf die Auswahl dieser Aussteller hat. Er wäre also seinem Mieter insoweit ausgeliefert, dass der nicht zig Aussteller einbringt, die alle fehlerhaft arbeiten – und dem Betreiber damit ein unfassbares und nicht mehr steuerbares Risiko auferlegt würde. Die Konsequenz kann m.E. nicht sein, vom Betreiber zu verlangen, binnen weniger Stunden hunderte Stände zu untersuchen und die Öffnung der Messe zu verhindern, wenn er vermeintliche Fehler findet – und er wieder dem Regressrisiko von Ausstellern und Veranstalter ausgesetzt ist: Einem unermesslichen Risiko, das in keiner Weise in Relation zu seinen Mieteinnahmen steht und stehen kann. Wie schon gesagt: Es gibt ja keine Not, einen haftenden Verantwortlichen haben zu müssen, da es ja noch den Veranstalter und die Aussteller gibt.
6.) Der Vergleich zum Hauseigentümer
Ein Hauseigentümer ist für das Räumen und Streuen des Weges vor seinem Haus im Winter verantwortlich. Er ist also für „mehr“ verantwortlich, als sich unmittelbar aus seinem Eigentum „Haus“ ergibt, nämlich für einen ihm gar nicht gehörenden Gehweg. Aber: Der Hauseigentümer kann diese (Verkehrssicherungs-)Pflicht auf den Mieter übertragen. Soweit er ihn in der Ausführung stichprobenartig kontrolliert, dann ist er auch nicht mehr verantwortlich – sondern nur noch der Mieter allein. Im Sonderbaurecht funktioniert dieses „Wegdelegieren“ nicht, da gemäß § 38 Abs. 5 MVStättVO die Haftung des Betreibers selbst dann bestehen bleibt, wenn er Betriebspflichten auf den Veranstalter überträgt. Dies ist für mich ein weiteres Argument dafür, dass dem Betreiber nicht die unmittelbare Verantwortung auch für die veranstalterseitigen Einbringungen aufgebürdet werden können – wenn er gar keine Chancen hat, diese Verantwortung durch Delegation „loszuwerden“. Dies wäre m.E. ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Eigentums- und Berufsfreiheit (Artt. 14 und 12 GG) des Betreibers.
7.) Ein Blick in die Begründung der Verordnung
In Rheinland-Pfalz gibt es seit 01.09.2018 eine neue, komplett überarbeitete Versammlungsstättenverordnung. In der dortigen Begründung findet sich zu § 38 folgender Hinweis:
„Die Verantwortlichkeit ist umfassend und bezieht sich auf die Beachtung der Bau- sowie der Betriebsvorschriften.“
Das entspricht meiner oben dargestellten Auffassung, dass § 38 Abs. 1 einschränkend auszulegen ist. Dann heißt es zu § 38 Abs. 4 weiter:
„Ein besonderer Schwerpunkt der Betreiberpflichten ergibt sich aus Absatz 4. Da der Betrieb einer Versammlungsstätte nur bei funktionierenden Sicherheitseinrichtungen zulässig ist, ist der Betrieb einzustellen, wenn auch nur eine dieser Anlagen nicht funktionsfähig ist. Auch auf die Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik kommt hier eine Aufgabe zu, da nach § 40 Abs. 1 u.a. zu gewährleisten ist, dass die Wirksamkeit der sicherheitstechnischen Einrichtungen durch die jeweiligen bühnentechnischen Aufbauten nicht beeinträchtigt werden darf.“
Und weiter:
„Die Gewährleistung der Sicherheit und Funktionsfähigkeit bedeutet, dass die Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik die in ihrer unmittelbaren Verantwortung stehenden bühnen-, studio- oder hallentechnischen Einrichtungen so betreiben müssen, dass dadurch die sicherheitstechnischen Einrichtungen nicht außer Funktion gesetzt werden.“
8.) Fazit
Allein das Argument, dass es „besser“ sei, wenn sich „auch“ der Betreiber darum kümmere, greift nicht. Denn dann wäre es auch besser, wenn sich die Polizei und die Feuerwehr darum kümmert, oder die Genehmigungsbehörde, oder die Technikfirma usw. Der Glaube oder das Befinden, dass etwas „besser“ sei, ist jedenfalls solange kein Argument, wie es ja andere Verantwortliche gibt: Hier den Veranstalter. Im Ergebnis ist es für mich sachfremd, dem Betreiber und/oder dem VfV wie in der Eingangsfrage gefragt, auch die Verantwortung für das Tun und Lassen des Veranstalters aufzubürden. Es genügt, wenn er sich um seine eigene Haustechnik kümmert und dafür sorgt, dass die Veranstaltung diese Haustechnik (inkl. Sicherheitstechnik) und ihr Funktionieren nicht stört.
Die Folgen aus dieser Feststellung:
- Der Betreiber ist nur für die baurechtliche Sicherheit und die Einhaltung der sonderbaurechtlichen Vorschriften verantwortlich.
- Der VfV (und der Betreiber) ist nur für die eigene Technik der Versammlungsstätte verantwortlich.
- Der VfV (und der Betreiber) muss beim Aufbau und Betrieb von fremder Veranstaltungstechnik gewährleisten, dass die hauseigenen sicherheitstechnischen Einrichtungen nicht beeinträchtigt werden.
- Den Betreiber treffen ggf. vertraglich übernommenen Pflichten oder sonstige gesetzliche Pflichten aus dem allgemeinen Baurecht.
- Den Betreiber und/oder den VfV können je nach Einzelfall Hinweispflichten treffen, wenn ihnen Mängel auffallen. Es kann sie je nach Erheblichkeit ggf. die Pflicht treffen, die Sicherheitsbehörden zu informieren.
- Den Betreiber können arbeitsschutzrechtliche Verpflichtungen treffen, seine Mitarbeiter vor Mängeln der Veranstaltung zu schützen.
- Im Übrigen ist der Veranstalter verantwortlich.