Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen: Diejenigen für eine Selbständigkeit, oder diejenigen für eine Scheinselbständigkeit, also für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.

Es ist also „nicht schlimm“, wenn das eine oder andere Merkmal erfüllt wird, das eigentlich für die Scheinselbständigkeit spricht. Wichtig ist nur, dass solche Merkmale nicht überhand nehmen.

Und genau das war bei der Beauftragung einer Koordinatorin für einen Jazzclub in Baden-Württemberg passiert. Der Jazzclub, betrieben durch eine gemeinnützige GmbH, hatte eine Frau beauftragt zur Assistenz des künstlerischen Leiters, zur Gesamtkoordination des konzertanten Spielbetriebes (u.a. mit Technikern, Catering), zur Kommunikation und Koordination mit dem Vermieter, mit der Abwicklung Ticketing sowie mit der Kommunikation und Koordination mit den Künstlern.

Die Rentenversicherung erblickte in einer Prüfung in der vermeintlichen und gewollten Freien Mitarbeit eine abhängige Beschäftigung und forderte Nachzahlungen vom Jazzclub. Dieser zig vor Gericht, verlor aber zunächst in der ersten Instanz vor dem Sozialgericht, und jetzt auch in der zweiten Instanz vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg.

Wann ist man in einen Betrieb eingegliedert?

Das Gericht setzte sich mit vielen gängigen Merkmalen einer Scheinselbständigkeit auseinander, und stützte die Entscheidung insbesondere auf die „Eingliederung in den Betrieb“ des Jazzclubs.

Der vermeintlich freien Mitarbeiterin wurden nicht einzelne Aufträge, etwa einzelne Konzerte, zur Abwicklung übertragen, sondern die Koordination des gesamten Spielbetriebs. Während die künstlerische Leitung dem Geschäftsführer des Jazzclubs oblag, der die Künstler engagierte und die Gage vereinbarte, war die Frau für „alles andere“ zuständig.

Ihr wurden auch nicht nur konkret abgrenzbare Aufgaben und Aufträge innerhalb des Spielbetriebs übertragen, wie etwa die Abwicklung des Ticketing oder die Kommunikation und Koordination mit dem Vermieter oder den Künstlern, sondern auch die „Assistenz des künstlerischen Leiters“, ihr oblag allein die Gesamtkoordination des Spielbetriebs.

Die Eingliederung in den Betrieb des Jazzclubs ergibt sich für das Landessozialgericht damit daraus, dass die Frau nicht etwa einen abgegrenzten Teil von Bürodienstleistungen übernahm, deren Bearbeitung seitens des Jazzclubs mangels eigener Kapazitäten ausgelagert wurde. Vielmehr war sie eigenverantwortlich dafür zuständig, im Interesse des Jazzclubs alle erforderlichen Arbeiten zu erledigen, um ein Gelingen des Jazzclubs zu gewährleisten. Dabei griff sie auf einen Pool von Arbeitskräften zurück. Dies betraf unter anderem die für die Durchführung von Konzerten erforderlichen Techniker, das Catering, die Abendkasse und die Einlasskontrolle.

Die Frau ist auch nach außen nicht als selbstständige Konzertagentur aufgetreten, sondern unter Verwendung der E-Mail-Adresse des Jazzclubs in dessen Auftrag.

Das Gesamtbild der Tätigkeit entspricht damit nicht dem eines selbstständigen Dienstleisters, der einzelne Aufgaben übernimmt, sondern einer Gesamtkoordination aller Aufgaben des Betriebs des Jazzclubs – ausgenommen der rein künstlerischen Leitung, die dem Geschäftsführer oblag. Insoweit war die Frau maßgeblich in die Arbeitsorganisation des Jazzclubs eingebunden.

Dies wird auch dadurch verstärkt, dass die vermeintlich freie Mitarbeiterin so gut wie keinen Handlungsspielraum hatte: Die Räumlichkeiten der Konzerte standen fest, ebenso die Techniker und das Catering, auch musste sie zu bestimmten Zeiten anwesend sein – sowohl während der Konzerte als auch während der Vorverkaufszeiten sowie zu anderen festgelegten Zeiten.

Sachzwänge kein Merkmal

Das Landessozialgericht wertete die Tatsache, dass die Frau zu den Konzertzeiten anwesend sein musste, als nicht ausschlaggebend. Denn: Diese Zeiten entsprechen nicht den organisatorischen Vorgaben des Jazzclubs, sondern sie beruhen auf Sachzwängen, denen auch jeder selbständige Dienstleister unterworfen ist: Das Konzert findet nunmal in einem bestimmten Zeitraum statt.

Problematisch war aber die Vereinbarung, dass die Frau an vier Abenden in der Woche und an zwei Tagen vormittags vier Stunden zur Verfügung stehen musste – denn diese Pflicht geht über die Tätigkeit eines reinen Dienstleisters, der konkrete einzelne Aufgaben übernimmt, hinaus.

Man sieht, wie wichtig es ist, sich vorher zu überlegen, was man möchte – und wie man Risiken vermeidet. Denn derlei Urteile können für das betroffenen Unternehmen unangenehm teuer werden (Nachzahlung Sozialversicherungsbeiträge, Säumniszuschläge, Nachzahlung Lohnsteuer, Erstattung Vorsteuer)! Und es ist ja nicht, dass man nicht durch eine Gestaltung der Vertragsverhältnisse rechtskonform eine Freie Mitarbeit schaffen könne – wenn auch nicht in jedem Einzelfall, in dem man dann doch auf eine Anstellung ausweichen muss.