Höhere Gewalt

Was ist das?
Was sind die Rechtsfolgen?

Höhere Gewalt (auch force majeure, aus dem französischen) ist nach der Rechtsprechung ein „betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmen in Kauf zu nehmen ist“, so bspw. der Bundesgerichtshof. Mit dem Begriff sollen diejenigen Risiken von der Haftung ausgeschlossen werden, die bei einer rechtlichen Bewertung nicht mehr dem gefährlichen Unternehmen, sondern allein dem Drittereignis zugerechnet werden können.

Höhere Gewalt ist grundsätzlich nicht ohne Weiteres einfach ein starker Regen oder ein starker Wind. Es muss sich schon um einen außergewöhnlichen Starkregen oder einen Orkan handeln, dass man von Höherer Gewalt sprechen kann.

Wenn über viele Tage außergewöhnlich viel Niederschlag fällt und Meteorologen in manchen Städten von einem Hochwasser sprechen, das seit 400 Jahren einen traurigen Rekord erzielt, dann kann man auch juristisch von Höherer Gewalt sprechen.

Aber: Nicht jedes x-beliebige Hochwasser ist Höhere Gewalt, es muss sich schon um ein außergewöhnliches Hochwasser handeln. Wenn die Veranstaltungsstätte in einem Hochwassergebiet liegt, dass bei jedem durchschnittlichen Regen überschwemmt wird, dann ist das keine Höhere Gewalt.

Höhere Gewalt kann auch ein Vulkanausbruch sein, der verhindert, dass der Künstler mit dem Flugzeug anreisen kann, oder ein Streik, ein Erdbeben, ein Krieg, ein Terrorakt usw. Dies muss aber die Vertragspartner unmittelbar betreffen, d.h. nur weil irgendwo ein Krieg ausbricht, kann man sich noch lange nicht auf Höhere Gewalt berufen.

Höhere Gewalt und die Folgen

Höhere Gewalt führt juristisch zur Unmöglichkeit der Leistungen: In einem Vertrag gibt es Leistungen, die die Vertragspartner erbringen müssen. Durch die Höhere Gewalt wird die Erbringung eben dieser vertraglich geschuldeten Leistung(en) unmöglich.

Beispiel 1: Vulkanausbruch

Ein Künstler aus Kanada soll auf einem Konzert in Hamburg auftreten.

  • Seine geschuldete Leistung: Auftritt
  • Geschuldete Leistung des Veranstalters: Gage zahlen

Kann ein Künstler wegen einem Vulkanausbruch auf Island nicht zum weit entfernten Veranstaltungsort fliegen, weil der Flug kurzfristig aufgrund eines Flugverbotes gestrichen wurde, liegt ein Fall der Höheren Gewalt vor.

Die geschuldete Leistung „Auftritt“ ist unmöglich geworden. Die Folgen:

Der Künstler muss nicht mehr auftreten, er hat umgekehrt aber auch wieder keinen Anspruch auf seine Gage. D.h. die Vertragspartner gehen auseinander, als ob sie sich nie gesehen hätten.

Außerdem hätte der Veranstalter auch keinen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Künstler: Schadenersatz gibt es grundsätzlich nur, wenn der Schädiger den Schaden fahrlässig oder vorsätzlich verursacht hat; bei der Höheren Gewalt aber hat ja gerade keiner der beiden Vertragspartner schuldhaft etwas getan.

Beispiel 2: Veranstaltung wird verboten

Ein Veranstalter mietet eine Halle für seine Veranstaltung.

  • Die geschuldete Leistung des Vermieters: Überlassung der Halle.
  • Die geschuldete Leistung des Veranstalters: Zahlung der Miete.

Die Veranstaltung wird von der Polizeibehörde verboten (ohne, dass der Veranstalter hierfür etwas können würde; wir erinnern uns an die Pandemie und die Lockdowns bzw. staatlich angeordneten Verbote von Veranstaltungen).

Wie wirkt sich das Verbot der Veranstaltung auf unsere vorstehend genannten vertraglichen Leistungen aus?

Erst einmal gar nicht: Sie sind immer noch möglich!

  • Der Vermieter kann die Halle immer noch überlassen (wir erinnern uns: Es gab einen Lockdown in der Pandemie, da waren auch Überlassungen von Hallen verboten; dann würde dieses Beispiel anders gelöst werden müssen; aber in diesem Beispiel wurde „nur“ die Veranstaltung selbst verboten).
  • Der Veranstalter kann immer noch die Miete bezahlen.

Das ist also ein Beispiel, in dem die Höhere Gewalt nicht auf den Mietvertrag durchschlägt. Der Veranstalter muss also die Miete bezahlen.

By the way: Der Bundesgerichtshof hatte nach der Pandemie entschieden, dass das Ausfallrisiko grundsätzlich beim Veranstalter liegt.

Mögliche Hilfe für den Veranstalter:

Der Vollständigkeit halber sei gesagt: Der Veranstalter hat ggf. einen Anspruch auf Anpassung des Vertrages = ggf. Reduzierung der Mietzahlungspflicht wegen sog. „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 BGB).

Mehr zum Wegfall der Geschäftsgrundlage

Man sieht:

Die Höhere Gewalt ist vielfältig, und es kommt dabei sehr auf die Details an:

  1. Welche Leistungen sind vertraglich geschuldet?
  2. Welche Leistungen sind durch Höhere Gewalt unmittelbar unmöglich gemacht?
  3. Gibt es abweichende vertragliche Vereinbarungen? (im B2B-Bereich durchaus in gewissen Grenzen möglich)

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Weiterführende Links:

Lexikon Vertragsrecht

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