Die Thematik Scheinselbständigkeit ist schwierig und kompliziert, und die unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Gerichte macht es nicht einfacher. Steht ein Vertragsverhältnis zwischen einem vermeintlichen Freien Mitarbeiter und einem vermeintlichen Arbeitgeber im Fokus der gerichtlichen Prüfung, so diktieren insbesondere drei Gerichtsbarkeiten das Feld:
- Finanzgerichtsbarkeit: Hier geht es um die Frage, ob Lohnsteuer nicht abgeführt und die Vorsteuer zu Unrecht in Abzug gebracht wurde.
- Sozialgerichtsbarkeit: Hier geht es um die Frage, ob Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt wurden.
- Arbeitsgerichtsbarkeit: Hier geht es um die Frage, ob Lohn zu zahlen ist, Urlaub zu gewähren ist usw.
Und man kann sich denken: Die Kriterien, mit denen die Gerichte mögliche Scheinselbständigkeiten prüfen, sind bei den Gerichtsbarkeiten nicht identisch. Das macht das Leben für Auftraggeber nicht gerade einfacher…
Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts macht das Dilemma deutlich:
In einem vom höchsten Arbeitsgericht entschiedenen Fall hatte der Auftraggeber ein Statusfeststellungsverfahren bei der Rentenversicherung durchgeführt. Diese stellte daraufhin fest, dass der potentielle Auftragnehmer (ein Fotograf) nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei. Nur hat der Auftraggeber die Rechnung ohne die Arbeitsgerichte gemacht… denn das Bundesarbeitsgericht sagt:
„Für die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses ist nicht von Bedeutung, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund im Rahmen eines Statusverfahrens festgestellt, es bestehe keine Versicherungspflicht.“
Denn: Die sozialversicherungsrechtliche Behandlung der vereinbarten Vergütung ist für die Frage, welcher Natur das Rechtsverhältnis ist, ohne Belang. Dies folgt daraus, dass das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis und das Arbeitsverhältnis nicht identisch sind – so das Bundesarbeitsgericht.
Ein wichtiges Kriterium für die Frage der Scheinselbständigkeit ist die Vergütung. Nicht so bei den Arbeitsgerichten:
„Die Art der Vergütung spielt für die Abgrenzung verschiedener Vertragstypen keine Rolle, da sich die persönliche Abhängigkeit des Verpflichteten danach bestimmt, inwieweit die Ausführung der versprochenen Leistungen weisungsgebunden und damit fremdbestimmt erfolgt. Entscheidend sind die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Vergütungszahlung.“
Aufgrund der vielen Unsicherheit lautet oftmals der Rat: Im Zweifel anstellen.
Die Probleme aber im Alltag der Vertragspartner:
- Ein Statusfeststellungsverfahren dauert Zeit, die man oftmals nicht hat. Und, wie im Beitrag gesehen, eine Rechtssicherheit liefert ein solches Verfahren auch nur bedingt.
- Viele Freien Mitarbeiter wollen als Einzelunternehmer nicht für ein paar Tage angestellt werden.
- Viele Auftraggeber scheuen den bürokratischen Aufwand einer kurzzeitigen Anstellung.
- Die Vielzahl der Kriterien für eine Scheinselbständigkeit sind unübersichtlich, und aufgrund der Abhängigkeit vom Einzelfall auch jeweils schwer zu beurteilen.