Scheinselbständigkeit – allein dieser Begriff lässt vielen das Blut in den Adern gefrieren: Ist dieser Begriff doch mit viel Unsicherheit und hohen Risken verbunden. Nun lassen drei neue Urteile des Bundessozialgerichts erneut aufhorchen:

Gegenstand aller drei Urteile waren drei Notärzte, die nebenberuflich im Rettungsdienst tätig waren, und zwar gerade nicht sozialversicherungspflichtig, sondern als Freie Mitarbeiter. Nun hat das Bundessozialgericht auch auf solche Konstellationen einen Deckel drauf gemacht und entschieden, dass solche Notärzte Arbeitnehmer sind, also ihre Beschäftigung sozialversicherungspflichtig ist. Das (wenig überraschende) Argument: Die Notärzte waren in den Betrieb des jeweiligen Rettungsdienstanbieters eingegliedert:

„Sie unterlagen Verpflichtungen, zum Beispiel der Pflicht, sich während des Dienstes örtlich in der Nähe des Notarztfahrzeuges aufzuhalten und nach einer Einsatzalarmierung durch die Leitstelle innerhalb einer bestimmten Zeit auszurücken.“

Das trifft allerdings auch für gewisse Personen zu, die auf Veranstaltungen tätig sind, und auch dort oftmals als Freie Mitarbeiter…

Ein Freier Mitarbeiter ist dann nicht „frei“, wenn er in den fremdem Betrieb eingegliedert ist und Weisungen unterliegt. Um dies herauszufinden, haben die Gerichte eine Vielzahl von Kriterien entwickelt. Dabei kommt es nicht darauf an, wie viele Kriterien erfüllt werden und wie viele nicht – sondern welche Seite am Ende überwiegt. D.h. es ist nicht schlimm bzw. illegal, wenn ein Freier Mitarbeiter ein paar dieser Kriterien erfüllt – solange es ausreichend andere, schwergewichtige Argumente für seine Freiheit gibt.

Kippt aber das Verhältnis, dann ist der Freie nicht frei = in Wahrheit ein Arbeitnehmer = sozialversicherungspflichtig. Er ist also nur „zum Schein“ selbständig – daher auch der Begriff „Scheinselbständigkeit„.

Die Rechtsfolgen können dramatisch sein, da der Auftraggeber (der ja jetzt zum Arbeitgeber mutiert) sich u.a. strafbar gemacht hat und Sozialversicherungsbeiträge für die relevante Zeit schuldet. Die Thematik taucht auf, wenn eine Einzelperson nicht im Betrieb angestellt ist, aber Aufträge für den Betrieb ausführt. Das (ebenso gefährliche) Pendant: Diese Person ist ihrerseits in einem anderen Betrieb angestellt, denn dann kann es sich um eine Arbeitnehmerüberlassung handeln.

Ein paar klassische Beispiele, bei denen einen Scheinselbständigkeit von vermeintlich Freien Mitarbeiter denkbar ist:

  • Der Freie Mitarbeiter kann ohne die Mitwirkung seines Auftraggebers seinen Auftrag nicht erfüllen: Er ist auf dessen Personal oder Infrastruktur angewiesen.
  • Der Freie muss anwesend sein, kann seine Leistungen nicht erbringen, wann und wo er will.
  • Der Freie tritt nicht unternehmerisch aus, d.h. egal was er macht, er bekommt immer das gleiche Geld.
  • Er ist von außen gar nicht als Freier Mitarbeiter erkennbar, bspw. auch weil eigene Mitarbeiter seinen Status nicht kennen, er gegenüber Kunden auftritt wie ein Beschäftigter des Unternehmens.