Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat heute eine historische Entscheidung gefällt: Er hat einer Klage der „Klimaseniorinnen“ stattgegeben und die Schweiz wegen unzureichender Maßnahmen gegen den Klimawandel verurteilt.

Das Verfahren des Verbandes begann bereits 2016, als er von der zuständigen eidgenössischen Behörde verlangte, mehr für das Erreichen des 1,5-Grad-Zieles zu tun. Heute endete die jahrelange Odyssee durch alle Instanzen, bei denen der Verband immer unterlegen war.

Erstmals hat nun die Spitze der europäischen Gerichte eine „Klimaklage“ entschieden.

Die Große Kammer des EGMR (die nur sehr selten bei wichtigen Angelegenheiten zusammentritt) gab den „Klimaseniorinnen“ jetzt Recht: Die Schweizer Regierung habe es versäumt, ausreichende Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, was gegen das Recht auf Privat- und Familienleben aus Art. 8 der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoße.

Neben dem Verband hatten auch 4 Seniorinnen geklagt; diese Individualklagen aber hatte der EGMR abgewiesen: Die vier Klägerinnen hätten nicht die notwendige „Opfereigenschaft“, die für eine Klage vor dem EGMR aber notwendig sei.

Der Verband der „Klimaseniorinnen“ aber hatte durchschlagenden Erfolg: Denn der EGMR hat ihm die sog. Verbandsklagebefugnis zugesprochen: Die Besonderheit des Klimawandels als gemeinsames Anliegen der Menschheit und die Notwendigkeit, die Lasten zwischen den Generationen zu verteilen, erforderten es, Verbänden im Zusammenhang mit dem Klimawandel die Klagebefugnis zuzubilligen, so der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Den Einwand der Schweizer Behörden, ein Staat allein könne das Weltklima nicht ändern, ließ der Gerichtshof in seinen Augen zurecht nicht gelten.

Was hat das Urteil mit Veranstaltungen zu tun?

Der EMGR hat nun entschieden, dass Klimaschutz ein Menschenrecht ist (denn in der EMRK steht von Klimaschutz noch nichts drin, da man seinerzeit bei der Erstellung der EMRK davon noch nichts wusste).

Man wird das Urteil noch genauer analysieren müssen. Die Tatsache aber, dass nun schlag- und finanzkräftigen Verbänden die Tür geöffnet wurde, den Staat auf Handeln zu verklagen, wird sicherlich einiges in Bewegung bringen (man denke an Lieferketten, Hinweisgeberschutz, Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand usw.).

Aktuell ist es so, dass die Menschenrechtskonvention sich an Staaten wendet, nicht an Unternehmen. D.h., dass ein klagebefugter Verband derzeit ein Unternehmen nicht wegen Verletzung von Menschenrechten = mangelhafter Maßnahmen gegen den Klimawandel verklagen kann. Aufgrund der Komplexität der Rechtslage würde es unter normalen Umständen wohl viele, viele Jahre dauern, bis sich das auch ändert. Aber: Das neue Urteil des EGMR hat diese Normalität zumindest sicherlich massiv beschleunigt. Das heißt, ich kann mir vorstellen, dass der Staat künftig gezwungen sein bzw. werden wird, auch seine Unternehmen mehr in die Pflicht zu nehmen.

Vorsicht bei Werbung

An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass Veranstalter und Gewerke vorsichtig sein sollten mit der Werbung darüber, ob/dass/wie sie sich klimafreundlich verhalten würden. Es gibt bereits reihenweise Gerichtsurteile gegen Unternehmen, weil sie zwar Behauptungen aufgestellt, diese aber nicht genauer belegt haben.