Bekanntlich macht die Thematik Scheinselbständigkeit auch der Veranstaltungsbranche schwer zu schaffen: Selbst für Auftraggeber, die sich mit allen Kräften bemühen, alles richtig zu machen, ist eine korrekte Einordnung in Freie Mitarbeiterschaft einerseits oder ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis andererseits schwierig.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat nun einen Physiotherapeuten als scheinselbständig eingestuft, der von einer Gemeinschaftspraxis eigentlich als Freier Mitarbeiter beauftragt war, Patienten zu behandeln. In diese Urteil finden sich nicht nur allgemeine Grundsätze, sondern auch zwei wichtige Kernaussagen, die auch im Veranstaltungsbereich zutreffen können.

Zum Verständnis: Es kommt nicht auf die Anzahl von Kriterien an, die dafür oder dagegen sprechen, sondern auf die sog. Gesamtschau. So kann also auch eine Vielzahl von Kriterien zwar gegen eine Scheinselbständigkeit sprechen – wenn aber gewichte Argumente dafür sprechen, dann liegt eine Scheinselbständigkeit vor.

Kundenkontakt

Er selbst hatte keine Kunden akquiriert, sondern für Kunden gearbeitet, die sein Auftraggeber angebracht hatte.

Ausstattung (mit-)genutzt

Der Freie Mitarbeiter hatte die im Betrieb des Auftraggebers vorgehaltene Ausstattung (Räume, Telefonanlage zur Vereinbarung von Terminen mit den Kunden, EDV-Ausstattung mit elektronisch geführter Terminplanung) genutzt. Über eigene Behandlungsräume, die er jederzeit ohne Abstimmung mit anderen in der Praxis tätigen Physiotherapeuten hätte in Anspruch nehmen können, hatte er in der Gemeinschaftspraxis nicht verfügt.

Keine Werbung

Der Freie Mitarbeiter war nicht werbend aufgetreten und war nirgendwo auf den Firmenangaben als Freier Mitarbeiter namentlich genannt.

Abrechnung über den Auftraggeber

Die Abrechnung der durchgeführten Leistungen gegenüber den Kunden erfolgte durch den Auftraggeber über das von ihr vorgehaltene Abrechnungssystem.

Kein Unternehmerrisiko

Kein eigenes Kapital, und keine eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt. Er hat von den Abrechnungen 70% Anteile erhalten, den Rest hat der Auftraggeber einbehalten. Bemerkenswert ist folgende Feststellung des Gerichts: Das Risiko, nicht wie gewünscht arbeiten zu können, weil die Arbeitskraft anderweitig vergeben wird, stellt kein Unternehmerrisiko dar, sondern eines, das auch jeden Arbeitnehmer trifft, der nur Zeitverträge bekommt oder auf Abruf arbeitet und nach Stunden bezahlt wird.

Keine nennenswerten eigenen Betriebsmittel

In dem Fall hatte der Freie Mitarbeiter nur wenig Material selbst beschafft und bei den Arbeiten eingesetzt. Auch das Argument, der Freie Mitarbeiter habe zumindest sein Auto als Betriebsmittel eingesetzt, ließ das Gericht nicht gelten: Die Kosten für den Unterhalt des Kraftfahrzeugs bedingen kein unternehmerisches Risiko, weil Kraftfahrzeuge zur Erreichung des Arbeitsplatzes regelmäßig auch von Beschäftigten unterhalten werden.