Weitere Argumente
Ausreichende Ermächtigungsgrundlage?
Von vorne angefangen, ist für die Wortlaut-Auslegung bereits in Frage zu stellen, ob es für die Ausweitung der Verkehrssicherungspflicht über das Baurecht hinaus eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage in der Landesbauordnung gibt.
Auslegung findet bereits statt?
Vielfach dürfte man sich darin einig sein, dass der zweite Teil der Vorschrift, die „Einhaltung der Vorschriften“ nicht „jede“ Vorschrift meint, bspw. soll der Betreiber nicht für die Einhaltung von Urheberrechten oder Steuervorschriften der Veranstaltung verantwortlich sein. Wenn man aber diesen Teil der Vorschrift schon vom Wortlaut abweichend interpretiert, warum macht man es beim ersten Teil nicht auch?
Veranstalter bleibt verantwortlich, wozu braucht man den Betreiber?
Warum weitet man – insofern ohne Not – die Verantwortung für die individuelle Veranstaltung auf den Betreiber aus, wenn es doch weiterhin den Veranstalter als Verantwortlichen gibt?
Der Besucher ist ja nicht schutzlos, weil der Veranstalter verantwortlich ist/bleibt.
Verständnis der Verkehrssicherungspflicht
Ergibt sich die Verkehrssicherungspflicht schon aus dem Eigentum bzw. aus dem Betrieb der Versammlungsstätte, oder sachnäher aus der Veranstaltung?
Schutz vor unfähigen Veranstaltern?
Der Besucher soll vor einem unfähigen bzw. unerfahrenen Veranstalter geschützt werden, nach dem Motto, irgendjemand muss ja prüfen, ob der Veranstalter die Regeln einhält. Aber: Woran erkennt man solche Veranstalter? Auch ein vermeintlich professioneller Veranstalter kann tricksen oder Regeln missachten. Und warum soll ein Betreiber diese Pflicht übernehmen, wenn aber der Staat keinerlei Kontrolle übernehmen möchte? (Hintergrund: Veranstalter darf Jedermann sein, es gibt keine Anforderungen an Qualität oder Berufserfahrung; auch die Behörden prüfen nicht ohne Not die individuelle Veranstaltung, sondern geben Rahmenbedingungen vor)
Auswirkung auf den Veranstaltungsleiter
Die Entscheidung des Betreibers hat auch Auswirkung auf den Veranstaltungsleiter, den er ggf. beauftragt. Denn dann ist ja auch der Veranstaltungsleiter womöglich für die individuelle Sicherheit der Veranstaltung über das Baurecht hinaus verantwortlich, was umso problematischer werden kann, wenn mehrere Veranstaltungen zeitgleich in derselben Versammlungsstätte stattfinden.
Beweisschwierigkeiten
Der Betreiber kommt ggf. in verheerende Beweisnot. Es ist ja schon anspruchsvoll genug, bei Verstößen gegen die Betriebsvorschriften den Betrieb der Versammlungsstätte einzustellen (siehe § 38 Absatz 4 MVStättVO). Würde man das aber ausweiten auf die allgemeine Sicherheit der jeweiligen Veranstaltung, erstreckt sich die Beweisnot ja auch hierauf. Ein Beispiel: Der Veranstalter hat kein Geländer an der Bühnenhinterseite. Der Betreiber (respektive sein Veranstaltungsleiter) muss das zunächst erkennen, beanstanden – und sich für den Fall wappnen, wenn es darüber später zu Streit kommt. Und das betrifft dann jeglichen Rechtsverstoß, deren mögliche Anzahl ungleich größer ist als mögliche Verstöße „nur“ gegen die wenigen Betriebsvorschriften der Verordnung.
Notanker Sonderfall
Denkbar kann durchaus sein, dem Betreiber eine Eingriffspflicht aufzuerlegen, wenn er erkennt, dass der Veranstalter eklatant gegen Sicherheitsvorschriften verstößt und dadurch Menschenleben in Gefahr sind; das ist aber insoweit keine wirkliche Besonderheit, weil derlei Pflichten auch einen Caterer, Bühnenbauer u.a. treffen kann. Dazu bedarf es aber nicht der Ausweitung der Haftung durch die Wortlaut-Auslegung.
Letztlich kann man all diese Fragen so oder so beantworten, und es gibt durchaus für beide Varianten gute Argumente.
Handlungsempfehlung
Ich kann nicht sagen, welche Variante „richtig“ ist, ich kann letztlich auch nur mutmaßen bzw. meine persönliche Meinung dazu bilden und hier äußern. Denn erst wenn ein Bundesgericht diese Frage entscheidet, wäre sie rechtssicher zu beantworten. Solange können Juristen, Techniker, Verwaltungsleute usw. diskutieren 😉
Meine Empfehlung:
- Der Betreiber muss sich für eine Variante eindeutig entscheiden. Unnötig riskant wäre es, zwischen beiden Varianten hin- und herzupendeln. Diesen Abwägungsprozess, das Ergebnis und daraus folgende Maßnahmen sollte der Betreiber schriftlich dokumentieren.
- Auch Beschäftigte müssen das Ergebnis kennen – denn sie müssen es ja ggf. auch „ausbaden“.
- Er sollte seinen Mieter bzw. den Fremd-Veranstalter informieren:
- Denn wenn der Betreiber die Wortlaut-Auslegung verfolgt, könnte es Streit mit dem Veranstalter geben, der sich wundert, warum sich der Betreiber dauernd einmischt.
- Umgekehrt könnte der Veranstalter irrig glauben, es sei alles in Ordnung, eben weil sich der Betreiber nicht einmischt – weil der aber die Auslegung nach Sinn & Zweck verfolgt.
- Der Betreiber bzw. Vermieter kann den Mieter bestimmte Pflichten im Mietvertrag explizit auferlegen; er kann sich auch ein Kontrollrecht vorbehalten. Wichtig bzw. hilfreich dabei ist, dass vorsorglich klargestellt wird, dass ausbleibende Kontrollen oder eine Duldung eines ggf. rechtswidrigen Zustands nichts daran ändern sollen, dass der Veranstalter hauptverantwortlich bleibt.
- Der Betreiber kann eine sog. Freistellungsverpflichtung im Mietvertrag vereinbaren, die auch Bußgelder usw. abdeckt für den Fall, dass er in Anspruch genommen wird aufgrund von einem Tun oder Unterlassen des Veranstalters.
Wir unterstützen Sie bei dieser Abwägung, bei der Dokumentation und bei vertraglichen Formulierungen mit Mietern, aber auch mit der Veranstaltungsleitung usw. Schreiben Sie uns eine kurze E-Mail an info@eventfaq.de oder füllen das folgende Formular aus: