Zwei Vertragspartner schließen einen Vertrag, typischerweise hat dabei jeder Vertragspartner bestimmte Motive: Der eine will Geld verdienen, der anderen will eine bestimmte Leistung haben (z.B. die Überlassung einer Veranstaltungsstätte).
Im Verlauf der Zeit kann es viele Gründe geben, dass es zu diesem Austausch der Leistungen nicht kommen kann: Pandemien, Unfälle, Extremwetter, Terrorangriffe, Vulkanausbrüche, Todesfälle usw.
Fälschlicherweise wird dann vorschnell das Argument der Höheren Gewalt herangezogen: Das greift aber nur, wenn durch das Ereignis der Höheren Gewalt eine der vertraglichen Leistungen konkret unmöglich wurde. Zwei Beispiele dazu, die wir in der Corona-Pandemie leidvoll lernen mussten:
1. Beispiel: Raumüberlassung wird verboten
In der Pandemie hat es Phasen gegeben, in denen Bundesländer die Überlassung von Veranstaltungsräumen an Veranstalter verboten hatten. Derlei Verbote erfüllten die Voraussetzungen der Höheren Gewalt: Sie betrafen eine der beiden vertraglichen Leistungen unmittelbar – nämlich die Pflicht des Vermieter, den gemieteten Raum an den Veranstalter zu überlassen.
Damit war die Durchführung des Mietvertrages unmöglich geworden. Die Abwicklung des Mietvertrages erfolgt also entweder nach den vertraglichen Regelungen zur Höheren Gewalt (sofern vorhanden), ansonsten nach den gesetzlichen Vorschriften.
2. Beispiel: Veranstaltung wird verboten
Eine andere Variante in der Pandemie war, dass nicht die Überlassung des gemieteten Raumes verboten wurde, sondern die Durchführung der Veranstaltung. In einem typischen Mietvertrag ist aber nicht die Veranstaltungsdurchführung eine geschuldete Leistung, sondern eben die Überlassung von Raum einerseits, und die Zahlung der Miete andererseits.
Wird nun aber die Veranstaltung verboten, bleiben weiterhin möglich: Die Überlassung von Raum und die Zahlung der Miete. D.h. das Verbot macht die vertraglich geschuldeten Leistungen (Überlassung einerseits, Zahlung andererseits) nicht unmöglich – sondern torpediert „lediglich“ den Zweck des Vertrages, nämlich die Durchführung der Veranstaltung.
Mit anderen Worten: Der Vermieter kann dem Veranstalter die gemietete Veranstaltungsstätte überlassen, der Veranstalter muss die Miete bezahlen, aber er kann nun halt mit der leeren Veranstaltungsstätte nichts anfangen.
Hier können nun die Grundsätze des sog. Wegfalls der Geschäftsgrundlage greifen (siehe § 313 BGB): Während bei der Höheren Gewalt der Vertrag rückabgewickelt wird, überlegt man beim Wegfall der Geschäftsgrundlage, wie man den bestehenden Vertrag fair verändern könnte: Bspw. durch Terminsverlegung oder Reduzierung der Miete.
Sowohl die Höhere Gewalt als auch der Wegfall der Geschäftsgrundlage haben eine entscheidende Voraussetzung: Das jeweilige Ereignis darf bei Vertragsschluss noch nicht bekannt gewesen sein.
Wer also in Kenntnis eines nahenden Problems einen Vertrag schließt, kann sich später – wenn das Problem die Vertragsabwicklung stört – nicht auf Höhere Gewalt bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen.
Das wäre nur denkbar, wenn sich die Vertragspartner bei Vertragsschluss einig sind, dass man zwar im Wissen um dieses Problem den Vertrag schließt, dadurch aber später für keinen Vertragspartner die Berufung auf entweder Höhere Gewalt oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage ausschließen soll. Solche Klauseln müssen aber sauber formuliert sein, und dürften wohl auch nur im B2B-Geschäft zulässig sein (im B2C-Geschäft m.E. nur, wenn dies ein Vorteil für den Verbraucher wäre).
Also: Wer bei Vertragsschluss potentielle Risiken erkennt, die den Vertrag zunichte machen könnten, muss gut überlegen, ob er das Risiko eingehen will, nicht bereits jetzt über die Auswirkungen nachzudenken bzw. sie zu vereinbaren – denn
- im Fall der Höheren Gewalt führt die Rückabwicklung dazu, dass ggf. der (bleiben wir bei den Beispielen oben) Vermieter kostenlos Vorarbeiten geleistet hat, weil er die Miete nicht bekommt, der Veranstalter aber wiederum Ticketgelder usw. rückerstatten muss
- im Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gibt es für den zahlungspflichtigen Mieter keine Garantie, dass der Zahlungsanspruch tatsächlich reduziert wird.