Bei einem Vertrag gibt es typischerweise zwei Vertragspartner, die unterschiedliche Ansprüche haben: Der Auftraggeber hat Anspruch auf die Leistung z.B. „Veranstaltungsorganisation“, der Auftragnehmer auf die Leistung „Geld“.
Diesen beiden Leistungsinteressen stehen gegensätzliche Sicherungsinteressen gegenüber:
- Der Auftragnehmer möchte möglichst 100 % seiner Vergütung haben, bevor er arbeitet, weil er Sorge hat, später seinem Geld hinterherlaufen zu müssen.
- Der Auftraggeber möchte möglichst wenig bezahlen, solange der Auftragnehmer noch nicht alles erledigt hat: Denn je mehr Geld er aus der Hand gibt, desto mehr Druckmittel gibt er auch aus der Hand, wenn sein Auftragnehmer schludert.
In der Praxis setzt oftmals derjenige seine Forderungen durch, der die stärkere Verhandlungsposition hat. Schauen wir uns einmal genauer an, ob ein Auftragnehmer von seinem Kunden Vorkasse verlangen darf und ob diese auch 100 % der Vergütung sein darf.
Denn das wäre ja für den Auftragnehmer ideal: Alles Geld ist schon da, und man muss keine Sorge haben, dass der Kunde nachher nicht bezahlt. Und hier liegt die Krux:
AGB oder Individualklausel?
Denn bspw. bei einem Werkvertrag (bspw. ein Vertrag mit einer Eventagentur ist ein Werkvertrag) sieht das Gesetz vor, dass der Auftragnehmer erst einmal vorleisten muss, bevor er Geld bekommt. Und dieses gesetzliche Leitbild darf nicht in jedem Fall komplett in ihr Gegenteil verkehrt werden.
- In einem Individualvertrag (= also einem Vertrag bzw. mit einer Vorleistungsklausel, die nur ein einziges Mal so getroffen wird) dürfte eine 100-%-ige Vorleistung wirksam vereinbart werden.
- Anders ist das bei AGB – also wenn die Vorleistungsklausel mehrfach verwendet wird. Denn eine AGB-Klausel darf den anderen Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen.
Das heißt:
Unproblematisch ist es, wenn der Auftragnehmer einen Teil als Vorkasse verlangt, bspw. 50 % – dann mag das zwar benachteiligend sein (weil man vom gesetzlichen Leitbild abweicht), aber eben noch nicht unangemessen benachteiligend: Der Kunde kann 50 % zurückhalten und behält ein Druckmittel in der Hand.
Sieht ein Auftragnehmer in seinen AGB bzw. in seinem mehrfach verwendeten Vertrag hingegen vor, dass der Kunde 100 % Vorkasse leisten muss, wird das gesetzliche Leitbild genau ins Gegenteil verkehrt. Und das kann dann nicht nur benachteiligend, sondern eben sogar unangemessen benachteiligend sein.
Die Gerichte erlauben eine 100-%-ige Vorleistungspflicht nur,
„wenn die Leitbildabweichung sachlich gerechtfertigt ist und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt wird.“
Beispiele:
- Der Auftragnehmer muss seinerseits massiv in Vorleistung bei seinen Leistungsträgern gehen. Das wäre bspw. ein sachlicher Grund für eine umfangreiche Vorleistungspflicht.
- Ein Teil des Geldes wird auf einem Anderkonto treuhänderisch verwaltet, bzw. auf anderem Wege das Insolvenzrisiko für den Fall der Rückerstattungspflicht reduziert.
In jedem Fall gilt: Der Auftragnehmer sollte wohl überlegen, wie sehr er sich absichern will und darf.
Das Risiko:
Wenn er es übertreibt, ist seine Klausel unwirksam, der Kunde musss also den Vorschuss entweder gar nicht oder in geringerer Höhe zahlen.
Das Problem:
Wenn nun der Kunde nicht bezahlt und der Auftragnehmer auf seine Klausel und damit die Vorleistung pocht und daraufhin die Arbeit verweigert, kann der Kunde u.U. vom Vertrag zurücktreten. Dann geht der Auftragnehmer im Zweifel komplett leer aus, da er die bis dahin erhaltenen Vorschüsse wieder zurück bezahlen muss.
Also:
Genau hinschauen, es nicht übertreiben, und lieber die Vorschusspflicht etwas reduzieren (oder sich andere Sicherungsmittel überlegen) als zu riskieren, dass man am Ende leer ausgeht (Kunde weg und Geld weg).