Der Hype um die „Dubai-Schokolade“ war immens, Käufer standen früh morgens Schlange vor Supermärkten, um die heiß begehrte Schokolade zu ergattern. An diesem Beispiel möchte ich zeigen, wie die Juristerei funktioniert:

Viele Mandanten glauben, es gäbe „die eine“ Antwort auf eine Rechtsfrage. Tatsächlich ist das aber nur selten der Fall, und das offenbart die Dubai-Schokolade plakativ: Ein Importeur von Schokolade aus Dubai hatte mehrere Händler (darunter auch große Discounter) in sog. Eilverfahren verklagt und verlangt, dass diese Dubai-Schokolade nur verkaufen dürften, wenn sie tatsächlich auch aus Dubai kommen würde. Das Argument: Die Angabe „Dubai“ sei irreführend, da der Verbraucher glaube, die Schokolade komme aus Dubai, was aber in den von dem Importeur verklagten Fällen nicht der Fall war.

Bisher gibt es dazu mehrere Eilentscheidungen verschiedener Landgerichte – und wenig überraschend mit unterschiedlichen Ergebnissen. Die Landgerichte Köln und Bochum sprachen ein Verkaufsverbot aus, eben mit dem Argument der Irreführung der Verbraucher. Das Landgericht Frankfurt hingegen lehnte eine Eilentscheidung ab, weil es die Angabe „Dubai“ nicht für irreführend hielt.

So funktioniert Rechts(fort)bildung

Die nahezu identische Frage wird also von verschiedenen Gerichten unterschiedlich beantwortet. So bildet sich aber Recht fort: Erste Verfahren landen vor den Instanzgerichten, gehen dann in die Berufung vor die nächst höheren Instanzen, und landen früher oder später vor einem Bundesgericht, das dann idealerweise irgendwann einmal diese eine Frage entscheidet. Flankiert wird dieser Weg durch die Instanzen durch die Rechtswissenschaft, d.h. es bilden sich Kommentare, Aufsätze und Rechtsmeinungen von Anwälten, Universitätsprofessoren und anderer Juristen.

In vielen Fällen verfestigt sich dadurch auch einen Meinung, oder es bilden sich eine sog. „herrschende“ Meinung und eine oder mehrere Mindermeinungen. Entscheidet dann irgendwann einmal ein Bundesgericht (z.B. der Bundesgerichtshof in Zivilsachen), dann ist diese Antwort auf diese Rechtsfrage zunächst einmal „in Stein gemeißelt“ – und die (meisten) Gerichte halten sich dann daran. Dennoch kann es passieren, dass auch solche Ergebnisse irgendwann wieder gekippt werden: Weil sich neue Erkenntnisse ergeben, oder neue Richter neue Meinungen mit in die Diskussion bringen usw. Dann heißt es im Urteil bspw. lapidar: „An der bisher vertretenen Meinung wird nicht mehr festgehalten“.

20 Jahre Streit um 2 Sekunden Musik

Ein imposanter Fall kommt aus dem Urheberrecht: Hier streiten der Musiker Moses Pelham und die Band Kraftwerk seit nunmehr über 20 Jahren über ein leicht verlangsamt verwendetes 2-sekündiges Sampling einer Rhythmussequenz eines Liedes von Kraftwerk. Der Fall begann 1999 vor dem Landgericht Hamburg und zog seine Spuren über das Oberlandesgericht Hamburg, den Bundesgerichtshof, das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof – teilweise wieder hin und zurück. Aktuell liegt der Fall zum zweiten Mal beim EuGH, danach muss dann noch mindestens einmal wieder der Bundesgerichtshof entscheiden.

Das bedeutet: Wenn ein Mandant nun eine Frage zum Sampling hat, müssen einerseits diese mehreren Urteile und Begründungen abgewogen werden, andererseits im Auge behalten werden, ob und wann der EuGH sein Urteil verkündet. Der Mandant bekommt also eine Antwort mit vielen Konjunktiven, jedenfalls solange nicht irgendwann ein abschließendes Urteil gefällt wird.

In unserer täglichen Beratungspraxis ist es eine Herausforderung, diese Wege der Rechtsfortbildung zu kennen (bzw. herauszufinden) und in die Beurteilung der Rechtsfrage einfließen zu lassen. Und oftmals kann auch der Rechtsanwalt nicht „die eine“ Antwort liefern, sondern allenfalls eine Empfehlung oder eine Vermutung.