Viele Unternehmer glauben, wenn sie einen Steuerberater beauftragen, könnte man ihnen Fehler nicht vorwerfen. Was für Steuerberater gilt, gilt übrigens auch für alle anderen Berater: Nein, so einfach ist das nicht.
Das Thema Steuerberater wird insbesondere aktuell bei der Scheinselbständigkeit: Nicht umsonst hüten sich die meisten Steuerberater davor, Rechtsfragen aus dem Sozialversicherungsrecht zu beantworten. Denn: Sein Fehler wird dem Unternehmen zugerechnet. Das wird an einem Fall vor dem Landessozialgericht Schleswig-Holstein deutlich:
Ein Unternehmen beauftragte neben ein paar fest angestellten, sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmern auch vermeintlich freie Mitarbeiter. Aufgrund einer anonymen Anzeige kam es zu einer Prüfung durch das Hauptzollamt. Danach stellte die Deutsche Rentenversicherung dann fest, dass die vermeintlich selbständigen Auftragnehmer als abhängig beschäftigte Arbeitnehmer zu behandeln seien und somit der Sozialversicherungspflicht unterlägen.
Die Besonderheit des Falles hier: Dem Unternehmer wurde vorgeworfen, er habe bei der Nichtentrichtung der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge mit bedingtem Vorsatz gehandelt!
Wie kam es dazu?
Hierzu hilft ein Blick in die Urteilsbegründung des LSG Schleswig-Holstein:
Der Hinweis des Antragstellers, er habe für seine Lohnbuchhaltung einen Steuerberater eingeschaltet und dieser habe ihn in seiner Einschätzung, dass es sich bei der streitigen Tätigkeit um eine Selbstständige handele, bestätigt, entlastet den Antragsteller nicht. Ist dieser nämlich vollumfänglich mit der Lohnabrechnung durch den Antragsteller beauftragt und von diesem auch über den Sachverhalt informiert worden, muss sich der Antragsteller die Kenntnis seines Steuerberaters gemäß § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Nach dieser Vorschrift kommt es für das Kennen oder Kennen müssen gewisser Umstände bei der Einräumung einer Vertretungsbefugnis nicht auf die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters an. Wer einen anderen mit der eigenverantwortlichen Erledigung bestimmter Angelegenheiten betraut, muss sich die Kenntnis dieses Wissensvertreters zurechnen lassen. Hat der Steuerberater des Antragstellers jedoch in vollständiger Kenntnis der streitigen Tätigkeit dem Antragsteller die falsche Auskunft gegeben, dass es an einer Beschäftigung fehle, hat er die Nichtabführung der Beiträge für die streitigen Zeiträume zumindest billigend in Kauf genommen. Diese Bösgläubigkeit muss sich der Antragsteller zurechnen lassen.
Wumms. Alles verstanden? ;-)
Der Unternehmer hatte seinen Steuerberater mit der eigenverantwortlichen Erledigung der Lohnabrechnung betraut. Den Steuerberater nennt man dann “Wissensvertreter”, da er nicht nur den umfassenden Auftrag hat, sondern auch alle Informationen dazu erhalten hatte. Und den Fehler des Steuerberaters muss sich der Unternehmer dann zurechnen lassen. Handelt der Steuerberater bedingt vorsätzlich (= er handelt mit der Einstellung, dass er das Problem erkannt , aber dem Problem nicht abgeholfen, sondern vielmehr gehofft hat, dass die Sache gut ausgehe).
Das Landessozialgericht stellte dabei (wie schon andere Gerichte zuvor) auch fest, dass Steuerberater diesbezüglich nicht als fachkundige Stelle gelten.
Steuerberater keine fachkundige Stelle
Wenn der Unternehmer Zweifel bei der Abgrenzung zwischen Scheinselbständigkeit und Freien Mitarbeitern nicht durch eine fachkundige Stelle prüfen lässt, kann dem Auftraggeber eben bedingter Vorsatz bei der Verletzung seiner Arbeitgeberpflichten unterstellt werden.
Das hat für den Unternehmer unschöne Folgen, da sich nicht nur die Verjährungsfrist für Nachzahlungen der Sozialversicherung von 4 Jahren bei Fahrlässigkeit auf 30 Jahre ausgedehnt (§ 25 Abs. 1 SGB IV), sondern auch eine persönliche Haftung des Geschäftsführers bzw. Unternehmers in Betracht kommen kann!
Der kluge Steuerberater wird seinem Mandanten also schon früh sagen, dass er die Frage nicht beantworten kann/will.
Das bedeutet, dass der Unternehmer – wie in allen anderen schwierigen Fragen auch – verpflichtet ist, eine fachkundige Stelle zu befragen. In diesem Fall wären das bspw. eben nicht Steuerberater, aber Rechtsanwälte. Macht dann der fachkundige Anwalt einen Fehler, dann würde das dem Unternehmer eben nicht grundsätzlich als bedingter Vorsatz zugerechnet – mit den genannten bösen Rechtsfolgen.
Allerdings bedeutet auch die Prüfung durch den Anwalt keinen Persilschein: Denn drängt sich für den Unternehmer auf, dass die Auskunft des Anwalts nicht wird richtig sein können, darf er sie nicht einfach so übernehmen – sondern muss sie gründlich hinterfragen. Den “Persilschein” gibt es quasi nur, wenn sich der Unternehmer einen Anwalt aus dem passenden Fachgebiet sucht bzw. sich anderweitig von der Fachkunde überzeugt hat, und sich ein Fehler des Anwalts ihm auch nicht aufdrängt.
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