Wer trägt das Risiko, wenn Mieträume pandemiebedingt nicht genutzt werden können?
Von Thomas Waetke 15. Juni 2021Seit Februar 2020 werden unzählige Rechtsfragen diskutiert, zwischenzeitlich kommen auch immer mehr Gerichtsurteile an die Öffentlichkeit. Jedenfalls für Juristen wenig überraschend ist, dass sich diese Gerichtsurteile auch vielfach widersprechen, d.h. das eine Gericht entscheidet einen Sachverhalt so, ein anderes Gericht entscheidet einen ähnlichen Sachverhalt anders.
In diesem Beitrag stelle ich ein Urteil des Landgerichts Lüneburg vor, in dem es um die Frage geht, ob der Mieter einer Location die Miete bezahlen muss, wenn die Hochzeit pandemiebedingt nicht in dem geplanten Ausmaß stattfinden kann.
Das Brautpaar hatte den Mietvertrag bereits Ende 2018 unterschrieben, die Feier hätte in der Location im August 2020 mit 120 Gästen stattfinden sollen. Zum Veranstaltungszeitpunkt zulässig wären nur 50 Gäste gewesen. Die Mieter stornierten daraufhin den Vertrag, und der Vermieter forderte die vereinbarte Miete. In diesem Beitrag möchte ich nicht auf alle Details der Entscheidung eingehen, sondern einen prägnanten Punkt herausgreifen: Nämlich die Frage, ob dem Mieter das Risiko der pandemiebedingten Nichtnutzung der Mieträume zugemutet werden kann.
Das Landgericht hat zunächst zwar festgestellt, dass das Verwenderrisiko der Miete allein beim Mieter, also beim Hochzeitspaar, liegt. Dies sehen die meisten Gerichte übrigens so.
Dann aber schließt sich das Landgericht Lüneburg einer m.E. bisherigen Mindermeinung an und hat zu Gunsten des Hochzeitspaares entschieden, dass es nicht zumutbar sei, am unveränderten Vertrag festzuhalten, noch sich auf eine Vertragsanpassung bspw. durch eine Verlegung des Termins einzulassen:
“Denn die Fortentwicklung der Pandemie und ihrer Auswirkungen war im Sommer 2020 genauso wenig abzusehen, wie sie es auch heute noch ist. Das zeigt sich anschaulich nicht zuletzt daran, dass viele Hochzeitsfeiern, Konzerte oder andere Veranstaltungen, die im vergangenen Jahr auf Frühjahr/Sommer 2021 verlegt worden sind, ein zweites Mal verlegt oder auch ganz abgesagt werden müssen. Bei dieser unsicheren Sachlage kann allerdings niemandem zugemutet werden, eine Feier mit einem derartigen Planungsaufwand auch für An-/Abreise der Familie aus dem In- und Ausland, Unterbringung, Catering, musikalische Begleitung etc. wieder und wieder verschieben zu müssen.”
Das Gericht kommt dann zu dem Schluss, dass dem Locationvermieter damit kein Zahlungsanspruch zustünde.
Meiner Meinung ist dieses Ergebnis fragwürdig, denn das Risiko – das auch das Landgericht Lüneburg zunächst allein beim Mieter gesehen hatte – wird damit letztendlich vollständig auf den Vermieter abgewälzt.
Das Landgericht München bspw. hatte diese Frage kürzlich noch gegensätzlich entschieden. Je mehr gegensätzliche Urteile es gibt, desto höher ist das Risiko für streitende Vertragspartner, dass ein Streit nachher anders ausgehen könnte als erhofft: Denn niemand kann sicher sein, wie am Ende “sein” Gericht entscheiden würde. Es wird sicherlich noch etwas dauern, bis mehrere Oberlandesgerichte sich positionieren oder ggf. auch der Bundesgerichtshof in der letzten Instanz entscheiden wird. Erst dann kann für derlei Sachverhalte zumindest eine relativ klare Aussage getroffen werden, wer “Recht” hat.
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