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Wenn der Urheber mehr Geld haben will…

Wenn der Urheber mehr Geld haben will…

Von Thomas Waetke 10. März 2020

Vermutlich jeder hat diesen Film schon mal gesehen: Das Boot.

Über diesen Film gibt es entsprechend seiner Bekanntheit auch viel Streit. Unter anderem hat der damalige Chefkameramann Urteile für sich erwirkt, dass er nicht nur einfach Kameramann war, sondern als Miturheber des Films zu qualifizieren ist.

Der Hintergrund: Als Nicht-Urheber hatte er seinerzeit etwas mehr als 200.000 DM erhalten – als Pauschale. Die juristische Schlagkraft des Kameramanns hat sich massiv verändert, seitdem er als Miturheber qualifiziert wurde: Denn der Urheber hat gesetzlich verbriefte (und vertraglich nicht ausschließbare) Vergütungsansprüche.

Ein solcher (nachträglich entstehender!) Vergütungsanspruch findet sich bspw. in § 32 a Absatz 1 UrhG:

Hat der Urheber einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht, so ist der andere auf Verlangen des Urhebers verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird. Ob die Vertragspartner die Höhe der erzielten Erträge oder Vorteile vorhergesehen haben oder hätten vorhersehen können, ist unerheblich.

In dem Fall des Kameramannes hat der Bundesgerichtshof nun festgestellt, dass er von den verklagten TV-Anstalten eine solche weitere angemessene Beteiligung beanspruchen, wenn die vereinbarte Vergütung in einem auffälligen Missverhältnis zu den Vorteilen steht, die die Beklagten mit der Ausstrahlung des Films erzielt haben.

Ein auffälliges Missverhältnis liegt dann vor, wenn die vereinbarte Vergütung nur die Hälfte der angemessenen Vergütung beträgt, also der Vergütung, die mit Rücksicht auf die Höhe der erzielten Vorteile üblicher- und redlicherweise zu leisten ist, so der Bundesgerichtshof.

Zunächst muss man also den Vorteil ermitteln, den der Rechteverwerter erzielt hat. Diese Vorteile können geschätzt werden. Im Falle von Das Boot ging der Bundesgerichtshof davon aus, dass der Vorteil der verklagten Rundfunkanstalten darin liege, dass man sich Aufwendungen für die Erstellung eines Programms erspart habe, das den Sendeplatz des Filmwerks hätte füllen können. Um diesen Vorteil rechnerisch zu ermitteln, könne man auf die Wiederholungsvergütungen zurückgreifen, die nach den Tarifverträgen auf Produktionsdauer beschäftigten Fernsehschaffenden für die wiederholte Ausstrahlung eines Films an der Stelle des hier in Rede stehenden Films zu zahlen gewesen wären.

Dann muss die Vergütung ermittelt werden, die der Urheber redlicherweise hätte erhalten müssen; auch hierbei könne auf die tarifvertraglichen Vergütungen zurückgegriffen werden, so der Bundesgerichtshof.

So hat man am Ende die anfänglich bezahlte Vergütung (z.B. 1.000 Euro) und dann die Vorteile des Rechteverwerters bzw. die redlicherweise zu zahlende Vergütung (z.B. 10.000 Euro). Die tatsächlich bezahlte Vergütung liegt bei nur 1/10 der redlicherweise zu zahlenden Vergütung, und ist damit erheblich geringer als die Hälfte. Damit würde der Urheber einen Anspruch auf “weitere angemessene Beteiligung” haben, da die anfängliche Vergütung in einem auffälligen Missverhältnis zu den Vorteilen steht.

Update vom 06.07.2021:

Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen, unter denen der Urheber Geld nachfordern kann, erheblich gesenkt: Früher musste ein “auffälliges Missverhältnis” bestehen (s.o.), jetzt genügt es, dass das bezahlte Honorar “unverhältnismäßig niedrig im Vergleich zu den Erträgen und Vorteilen”, die der Verwerter ziehen kann, ist. Mehr dazu in unserem aktuellen Beitrag Urheber können künftig leichter Geld nachfordern.

Auch bei Fotos, Sprachwerken, Musik…

Wenn die Gerichte schätzen müssen, greifen sie gerne auf “erprobte” Zahlenwerke zurück, z.B. bei der Musik auf Tarife der GEMA bzw. auf Tarifverträge, aber durchaus auch auf brancheneigene Zahlen, wenn diese nicht aus der Luft ergriffen scheinen.

Bei Fotos kennt man vielleicht das Zahlenwerk “MFM”: Dies beruht auf Erhebungen der sog. “Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing”, das ist eine Arbeitsgruppe aus dem Bundesverband professioneller Bildanbieter e.V. (BVPA). In diesem Arbeitskreis sind neben Bildagenturen und Fotografen auch korporative Verbände wie DJV, FREELENS, dju/ver.di, BFF, AGD, BVAF, CV, DGPh usw. vertreten.

Daher gelten die MFM-Tarife bei vielen Gerichten als “branchenüblich”, d.h. wenn bspw. ein Veranstalter ein Foto unerlaubt verwendet, lassen sich durch einen Blick in die MFM-Tarife die Schadenersatzzahlungen des Urhebers ermitteln (juristisch “schätzen”).

Das heißt:

Für einen Rechteverwerter, der einen beauftragten Urheber all zu sehr herunterhandelt, kann es im Nachhinein umso teurer werden.

Hintergrundinfo
Der Urheber wird durch das Gesetz außerordentlich in Schutz genommen. So wartet das Urheberrechtsgesetz mit zahlreichen Eigenarten auf, die es so auch nur im Urheberrecht gibt. Dazu gehört u.a., dass der Urheber auch noch nach Vertragsschluss Honorar nachfordern kann.

Solche Besonderheiten erkläre ich immer mal wieder in unseren Webinaren, aber auch in unserem Seminaren und im Intensiv-Coaching. Denn wer hier nicht aufpasst, zahlt schnell drauf.

Urheberangabe für das/die Foto(s) (Symbolfoto):