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Wenn Demonstration und Veranstaltungen kollidieren

Wenn Demonstration und Veranstaltungen kollidieren

Von Thomas Waetke 16. September 2019

Es ist nicht das erste Mal, dass wir am Wochenende bei der IAA in Frankfurt, dass Demonstranten bzw Aktivisten eine Veranstaltung nutzen, um auf ihre Belange aufmerksam zu machen. In diesem Beitrag betrachte ich (nur) einige rechtlichen Aspekte, die die Veranstaltung betreffen.

Die Demonstration im Umfeld

Das Recht auf Meinungskundgabe ist in Deutschland ein hohes Gut, und vom Grundgesetz auch verfassungsrechtlich verankert (Art. 8 GG).

Stört die Demonstration die Veranstaltung nicht, und nutzt die Demonstration die Aufmerksamkeit um die Veranstaltung, um selbst auch Aufmerksamkeit zu erreichen, ist das unproblematisch.

Das kann man auch mit dem Ambush Marketing vergleichen, wenn Veranstaltungen, Dienstleister oder Verkäufer den Ruf einer Veranstaltung nutzen, um selbst davon zu profitieren.

Die Demonstration stört die Veranstaltung

Anders sieht es aus, wenn die Demonstration die Durchfühung der Veranstaltung stört. Das kann in vielfältiger Weise geschehen:

  • Die Demonstration zieht durch die Straße, über die Besucher zur Veranstaltung wollen, aber im Zeitraum der Demonstration nicht mehr können.
  • Die Demonstranten besetzen die Zugänge zur Veranstaltung und erschweren den Zugang
  • Die Demonstranten behindern Besucher aktiv am Zutritt zur Veranstaltung, indem sie sie bedrängen oder gar angreifen.

Nicht nur Veranstalter und Teilnehmer einer Demonstration können sich auf das Grundgesetz berufen, sondern auch der Veranstalter: Zu seinen Gunsten greifen die Berufs- und Eigentumsfreiheit.

Prallen nun die Grundrechte von Demonstration und Veranstaltung aufeinander, müssen sie abgewogen werden.

Unter das Grundrecht der Versammlungsfreiheit fallen grundsätzlich nur solche Versammlungen, bei denen die Meinungskundgabe im Mittelpunkt steht. Nicht darunter fallen aber insbesondere Angriffe auf Dritte, aber auch nicht, dass Demonstranten Veranstaltungsbesucher bspw. abdrängen, festhalten oder bedrohen.

Bei der IAA hatten sich Demonstranten vor ein paar Eingänge zur Messe gesetzt, und damit den Zugang für Messebesucher erschwert: Wer nicht über sie hinwegsteigen wollte, musste einen anderen Eingang aufsuchen.

Die Grenzen der Zulässigkeit einer Demonstration sind regelmäßig Gegenstand von Gerichtsverfahren, die aufgrund ihrer Bedeutung auch oft beim Bundesverfassungsgericht enden. So stellt das Bundesverfassungsgericht regelmüßig die Grundlagen fest:

Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistet allen Deutschen das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Geschützt sind nicht allein Veranstaltungen, bei denen Meinungen in verbaler Form kundgegeben oder ausgetauscht werden, sondern auch solche, bei denen die Teilnehmer ihre Meinungen zusätzlich oder ausschließlich auf andere Art und Weise, auch in Form einer Sitzblockade, zum Ausdruck bringen.

Und, wenn es mal etwas “ruppiger” zugeht:

Art. 8 GG schützt die Freiheit kollektiver Meinungskundgabe bis zur Grenze der Unfriedlichkeit. Die Unfriedlichkeit wird in der Verfassung auf einer gleichen Stufe wie das Mitführen von Waffen behandelt. Unfriedlich ist eine Versammlung daher erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht schon, wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen.

In Bezug auf die Ankettung von Teilnehmern, die sich von der Polizei aber friedlich hatten festnehmen lassen, nachdem die Polizei die Ketten durchtrennt hatte, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden:

Die Ankettung der Teilnehmer der Blockadeaktion führt nicht zu der so umschriebenen Gefährlichkeit für Personen oder Sachen und damit zur Unfriedlichkeit i.S. des Art. 8 GG. Auch der weitere Verlauf hielt sich im Rahmen eines passiven Protests, und die Demonstranten ließen sich ohne Widerstand festnehmen, nachdem Polizeibeamte die Kette mit Bolzenschneidern zerlegt hatten. Ungeachtet der strafrechtlichen Bewertung als Gewalt kann das Verhalten der Teilnehmer der Blockadeaktion daher nicht als unfriedlich angesehen werden. Für die Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 8 GG ist jedoch allein der verfassungsrechtliche Begriff der Unfriedlichkeit maßgebend, nicht der umfassendere Gewaltbegriff des § 240 StGB.

Selbst wenn aber die Demonstranten friedlich sind, kann es andere Faktoren geben, die Dritte benachteiligen. Insoweit führt das Bundesverfassungsgericht aus:

Das den Grundrechtsträgern durch Art. 8 GG eingeräumte Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt sowie Art und Inhalt der Veranstaltung ist durch den Schutz der Rechtsgüter Dritter und der Allgemeinheit begrenzt. Es umfasst nicht auch die Entscheidung, welche Beeinträchtigungen die Träger kollidierender Rechtsgüter hinzunehmen haben. Die Blockade einer Zufahrt beeinträchtigt jedenfalls die Fortbewegungsfreiheit der an der Straßenbenutzung gehinderten Kraftfahrzeugführer, eventuell auch deren Freiheit beruflicher Betätigung. Mit der Ausübung des Versammlungsrechts sind häufig unvermeidbar gewisse nötigende Wirkungen in Gestalt von Behinderungen Dritter verbunden. Derartige Behinderungen Dritter und Zwangswirkungen sind durch Art. 8 GG gerechtfertigt, soweit sie als sozial-adäquate Nebenfolgen mit rechtmäßigen Demonstrationen verbunden sind.

Das Bundesverfassungsgericht liefert auch gleich mögliche Kriterien mit:

In diesem Rahmen sind insbesondere auch Art und Maß der Auswirkungen auf betroffene Dritte und deren Grundrechte zu berücksichtigen. Wichtige Abwägungselemente sind unter anderem die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstan.

Das Gewicht solcher demonstrationsspezifischer Umstände ist mit Blick auf das kommunikative Anliegen der Versammlung zu bestimmen, ohne dass dem Gericht eine Bewertung zusteht, ob es dieses Anliegen als nützlich und wertvoll einschätzt oder es missbilligt. Stehen die äußere Gestaltung und die durch sie ausgelösten Behinderungen in einem Zusammenhang mit dem Versammlungsthema oder betrifft das Anliegen auch die von der Demonstration nachteilig Betroffenen, kann die Beeinträchtigung ihrer Freiheitsrechte unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände möglicherweise eher sozial erträglich und dann in größerem Maße hinzunehmen sein, als wenn dies nicht der Fall ist. Demgemäß ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, ob und wieweit die Wahl des Versammlungsortes und die konkrete Ausgestaltung der Versammlung sowie die von ihr betroffenen Personen einen auf die Feststellung der Verwerflichkeit einwirkenden Bezug zum Versammlungsthema haben.

Daran sieht man sicherlich, dass die rechtliche Bewertung nicht einfach ist. Es gibt eine Vielzahl von Aspekten, die eine Rolle spielen können.

Wie kann sich der Veranstalter wehren?

Wenn er ausreichend Zeit hat, kann er gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Typischerweise ist das denkbar, wenn eine Demonstration angemeldet wird, und Zugänge zur Veranstaltung in Mitleidenschaft gezogen werden. Dann kann der Veranstalter ggf. den genehmigten Weg oder die genehmigte Uhrzeit der Demonstration gerichtlich beanstanden.

Oftmals aber ergeben sich bspw. gerade Sitzblockaden doch eher spontan; dann kann der Veranstalter polizeiliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Ist die Eventagentur verantwortlich?

Wenn ein Veranstalter eine Eventagentur o:ä. beauftragt mit der Durchführung der Veranstaltung: kann er dann die Vergütung mindern, wenn die Veranstaltung durch Demonstrationen nicht abläuft wie gewünscht bzw. beauftragt?

Dazu schreibe ich etwas in einem eigenen Beitrag – demnächst hier! (wenn Sie ihn nicht verpassen wollen, abonnieren Sie unseren Newsletter).

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