Übungsaufgabe: Es ging noch gar nicht richtig los, da hört es schon auf
Von Thomas Waetke 9. September 2020Ich habe mir wieder eine neue Übungsaufgabe für Sie ausgedacht :-) Testen Sie Ihr Wissen, und ob Sie alle Stolperstellen in dem Sachverhalt finden:
Ein Unternehmen möchte 2021 sein 100-jähriges Firmenjubiläum feiern und hat dafür ein Budget von 1 Mio Euro zur Verfügung. Der im Unternehmen zuständige Mitarbeiter wendet sich per E-Mail an verschiedene Eventagenturen. Die Eventagentur “Eventis” gibt ein Angebot ab mit einem Gesamtbudget von pauschal 800.000 Euro; lediglich die Zeit und Fahrtkosten zu Abstimmungsgesprächen bei dem Unternehmen wird nach tatsächlichem Kostenaufwand angeboten. Eventis hatte bereits 2019 einen vergleichbaren Auftrag eines anderen Unternehmen und die Inhalte, Abläufe und Leistungsträger sollen erneut „verwendet“ werden: Für Eventis eine Win-Win-Situation: Es sind bereits alle Strukturen vorhanden, und zusätzliche Einnahmen können durch Provisionsleistungen der Leistungsträger erzielt werden; dafür hat der Kunde einen Pauschalpreis und kann sicher kalkulieren.
Eventis schickt einen Vertragsentwurf an das Unternehmen und bittet um Rücksendung mit Stempel und Unterschrift. Die weiteren Gespräche zwischen Unternehmen und Eventis werden immer konkreter, auch ein Termin steht schon. Der Vertrag wird besprochen und das Unternehmen hat keine Einwände. Das Unternehmen bittet Events auch, die Veranstaltungslocation fix zu optionieren und Preisverhandlungen mit zwei Künstlern und einem Moderator aufzunehmen, die man unbedingt haben möchte. Eventis kommt diesen Bitten auch nach.
Bei einem erneuten Termin kommt es zum Streit zwischen Unternehmen und Eventis. Eventis fordert eine Vorschusszahlung, das Unternehmen weigert sich. Eventis stellt daraufhin alle Tätigkeiten ein, woraufhin der Moderator und die Künstler mitteilen, zu dem Wunschtermin bereits anderweitig gebucht worden zu sein.
Wie ist die Rechtslage?
Hinweis: Gehen Sie davon aus, dass das Unternehmen und Eventis nicht mehr zusammen arbeiten wollen.
Schwierigkeitsgrad: einfach – mittel –schwierig
Vertrag ja/Nein?
Maßgeblich ist zunächst, ob ein Vertrag zustande gekommen ist.
Eventis hat einen Vertragsentwurf vorgelegt, der zwar besprochen wurde; offenbar wurde er aber nicht formal “geschlossen” bzw. unterschrieben.
Ein Vertrag kann aber auch zustande kommen, ohne dass ein Papier unterschrieben bzw. E-Mails ausgetauscht werden. Verträge können – mit wenigen Ausnahmen – auch mündlich oder durch konkludentes Verhalten zustande kommen:
Ein Beispiel
Hier ist fraglich, ob die Bitten des Unternehmens bereits Aufträge sein sollen, oder sogar gleich den “ganzen” Vertrag auslösen sollen.
Immerhin gab es einen schriftlichen Entwurf, der aber nicht unterschrieben wurde. D.h. aus Sicht von Eventis sollte der Vertrag schriftlich zustande kommen – was nicht passiert ist. Daher kann man auch schwerlich argumentieren, dass durch die konkreten Gespräche und die Bitten des Unternehmens, einzelne Wünsche bereits anzugehen, die Unterschriften unter den Vertrag ersetzt würden.
Vorschuss zu Recht verlangt?
Dass Eventis einen Vorschuss gefordert hat, könnte ihr zum Verhängnis werden: Denn ein Vorschuss muss grundsätzlich vereinbart werden – was aber offenbar nicht passiert ist. Wenn eine individuelle Vereinbarung fehlt, greifen die gesetzlichen Bestimmungen = hier handelt es sich höchst wahrscheinlich um einen Werkvertrag. D.h., dass Eventis grundsätzlich Zahlung erst bei Abnahme der Leistung verlangen kann, allenfalls noch bei abtrennbaren/teilbaren Leistungen, die aber bereits vollständig erbracht worden sein müssen.
D.h. bei dem obigen Sachstand hat das Unternehmen nichts “falsch” gemacht.
Wenn man einen Vorvertrag, oder gar einen Vertrag bejaht, kann sich Eventis sogar schadenersatzpflichtig gemacht haben: Denn immerhin sind dem Unternehmen nun die Wunschkandidaten für Künstler und Kandidaten abhanden gekommen.
Vergütung für die Agentur?
Die Agentur hat bereits gearbeitet. Bekommt sie diese Arbeiten auch bezahlt?
Ja, wenn ein Vertrag zustande gekommen ist/wäre (siehe oben).
Ja, wenn diese Arbeiten teilbare Leistungen sind, die auch “solo” für das Unternehmen von Nutzen sind; denn das Unternehmen kann grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass Arbeit kostenfrei ist (vgl. § 612 Absatz 2 BGB bzw. § 632 Absatz 2 BGB).
Ansonsten kann es passieren, dass die Agentur leer ausgeht – nämlich dann, wenn eines der beiden “Ja´s” nicht zutrifft oder man nach “Treu und Glauben” zu dem Schluss käme, dass der Hauptfehler bei der Agentur lag und sie deshalb nicht noch Geld verlangen dürfe.
Schadenersatz des Unternehmens?
Das ist gar nicht abwegig: Denn das Unternehmen hat zwar den Vertrag nicht unterschrieben: Es kommt aber nun auf die tatsächlichen Umstände an, ob und wie Eventis auf das Zurücksenden des Vertrages gepocht hat; denn durch die konkreten Gespräche befanden sich wohl beide Vertragspartner auf dem Weg zum Vertrag, d.h. das Unternehmen durfte darauf vertrauen, dass Eventis seinen Aufgaben nachkommt – jedenfalls denen, die das Unternehmen “beauftragt” hatte (siehe oben). Und soweit Eventis unberechtigt einen Vorschuss fordert und sich weigert, weiter zu arbeiten und dadurch ein Schaden entsteht (bspw. weil andere Künstler nicht oder nur zu höheren Kosten verfügbar wären), würde sich die Agentur wohl auch schadenersatzpflichtig machen.
Das gilt übrigens auch dann, wenn man einen Vertragsschluss verneinen würde: Denn es gibt auch das sog. Vertrauen auf den Vertragsschluss. Wer dieses Vertrauen fördert und dann quasi kurz vor knapp zerstört (weil der avisierte Vertragsschluss dann doch platzt), macht sich schadenersatzpflichtig.
Übrigens:
Auf die Corona-Thematik kommt es hier ausnahmsweise nicht an.
Was lernen wir daraus?
Achtung!
Achtung!
Achtung!
Achtung!
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