Stressbedingte Krankheiten und ihre Verbindungen mit der Veranstaltungsbranche
Von Mandy Hännes´chen 13. April 2023„Die Veranstaltungsbranche ist weltweit eine der stressigsten“ – dieser Aussage würden wohl viele Menschen spontan zustimmen. Und dann gibt’s diejenigen, die immer noch glauben, dass unsere Branche kein Problem mit Stress hat.
Susanne Buchheim hat sich, aufgrund persönlicher Erfahrungen und Verluste, mit dem Thema Stress in der Veranstaltungsbranche intensiv auseinandergesetzt und stressbedingte Krankheiten und ihre Verbindungen mit der Veranstaltungsbranche in der DACH-Region wissenschaftlich untersucht.
Im Rahmen eines Forschungsprojektes hat Susanne Buchheim zusammen mit der Stressforscherin Agnese Mariotti aus Genf, der Statistikerin Madina Kukenova aus Montreux und David McPartland aus Montreux, der sich auf Kommunikation und Forschung spezialisiert hat, einen validierten Fragebogen entwickelt. Die Erhebung sollte Aussagen zulassen, ob ein Zusammenhang zwischen der Veranstaltungsbranche, einem erhöhten Stressniveau und einem erhöhten Auftreten von stressbedingten Krankheiten besteht. Und auch, ob die verschiedenen Formen von Lockdown während der Pandemie das Stressniveau und das Auftreten von stressbedingten Krankheiten verändert haben.
Stress setzt sich aus zwei Elementen zusammen: einem Stressor und einer individuellen menschlichen Reaktion darauf.
Um festzustellen, ob das Arbeiten in der Veranstaltungsbranche vermehrt zu stressbedingten Krankheiten führt, wurde zuerst untersucht, ob die Befragten vermehrt Stressoren ausgesetzt sind. Diese Untersuchung führte zu dem Ergebnis, dass viele Stressoren vorhanden sind, vor allem jene, die durch unzureichendes Zeitmanagement verursacht werden. Die meisten Teilnehmer sahen sich Zeitdruck, Überstunden, nicht genug Zeit für Familie und Freunde oder Hobbies und dem Verpassen wichtiger Lebensereignisse ausgesetzt.
In einem zweiten Schritt wurden die gefühlten Stresslevel der Befragten mit Hilfe des PSS-10 ermittelt. Die Untersuchung ergab ein erhöhtes Stresslevel mit 16,95 im Vergleich zu 12,57 in der Allgemeinbevölkerung. Die erhöhten Stresslevel konnten mit dem vermehrten Auftreten der Stressoren in Verbindung gebracht werden.
Des Weiteren wurden Stress Symptome und diagnostizierte stressbedingte Krankheiten ermittelt. Die Analyse ergab ein vermehrtes Auftreten von stressbedingten Krankheiten bei fast allen untersuchten Krankheiten. Das Auftreten der stressbedingten Krankheiten konnte mit dem erhöhten Stresspegel in Verbindung gebracht werden.
Der zweite Teil der Untersuchung konzentrierte sich auf die Frage, ob die verschiedenen Formen von COVID-19-bedingten Lockdowns das Stressniveau veränderten. Die Ergebnisse zeigten, dass sich das Stressniveau zwar änderte, aber auf zwei verschiedene Arten, was auf die grundlegend unterschiedlichen Bedingungen zurückzuführen ist, mit denen angestellte und freiberufliche Mitarbeiter:innen zu kämpfen haben.
Empfehlung: Mechanismen von Stress verstehen und Stressreaktion unterbrechen
Um zu verhindern, dass Eventmitarbeiter:innen aufgrund von Stress krank werden und um neue Mitarbeiter für die Branche zu gewinnen, ist es wichtig, die Mechanismen von Stress zu verstehen und die Stressreaktion zu unterbrechen. Nur an den Symptomen der Stressreaktion zu arbeiten, ist nicht empfehlenswert.
Stress entsteht, weil wir eine Situation als lebensbedrohlich einschätzen und unser Körper in den Fight-or-Flight-Modus geht. Diese Reaktion versetzt uns in die Lage, der Gefahr zu entkommen. In der heutigen Zeit sind aber viele Dinge die wir als stressig empfinden, nicht mehr lebensbedrohlich. Nichtsdestotrotz reagiert unser Körper mit den selben Mechanismen, als ob unser Leben bedroht wäre.
Aber warum reagiert der menschliche Körper genauso auf Zeitdruck wie auf einen Tiger in der Wüste? Die Gründe dafür liegen sehr weit in der Vergangenheit und sind biologischer Natur. Als wir noch Jäger und Sammler waren, war es überlebenswichtig, ein Teil einer Gruppe zu sein, da einzelne Menschen im Grunde nicht überlebensfähig waren. Die Evolution hat deswegen Menschen bevorzugt, die ein Bedürfnis haben, sich der Gruppe anzupassen, und Querulanten aussortiert. Das bedeutet, dass das Bedürfnis uns anzupassen biologisch ist. Wenn wir nun einer Erwartung nicht entsprechen, reagiert unser Körper mit Angst vor einer Bedrohung. In einer Situation, wo diese Angst durch etwas ausgelöst wird, was nicht lebensbedrohlich ist, hilft es, sich die Situation vor Augen zu führen, zu erkennen, dass es sich um eine biologische Reaktion handelt und nicht um eine echte Bedrohung, damit wir nicht gestresst sind. Dies erfordert allerding ein wenig Achtsamkeit und Bewusstheit.
Ein weiteres Stellrad ist die Beeinflussung von Kontrolle. Eine Situation ist nur dann lebensbedrohlich, wenn wir sie nicht kontrollieren können. Beispiel: Wenn jemand, der nicht schwimmen kann, in einen Pool gestoßen wird, ist es klar, dass er Stress bekommt. Jemand, der schwimmen kann, wird wahrscheinlich keinen Stresse empfinden. Sollte jemand, der nicht schwimmen kann, regelmäßig in einen Pool gestoßen werden, kann er die Kontrolle über die Situation erlangen, indem er schwimmen lernt.
Das Ziel muss aber sein, den Stress durch die Beseitigung der Stressoren zu reduzieren. Das bedeutet im Klartext: weniger Überstunden, mehr Personal, weniger Wochenendarbeit, planbarere Zeit für Familien, Freunde und Hobbies, mehr Freizeit, höhere Tagespauschalen für Selbständige (damit die auch mehr Freizeit haben können) und gesundes Catering.
Zu den vollständigen Studien-Ergebnissen geht es hier.
Die Autorin Susanne Buchheim
Susanne Buchheim ist Ingeneurin, Künstlerin, autorin und Speakerin. sie hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in Veranstaltungstechnik, Beleuchtung, Eventprojekt- und Bühnenmanagement sowie diverse Ausbildungen u.a. Uni-Studium Veranstaltungstechnik, TÜV-Zertifikat Hygienemanagement. Als Speakerin steht sie für die Themen “Frauen in der Eventbranche”, “Folgen der Corona Maßnahmen” und “Stress in derEventindustrie” zur Verfügung.
Urheberangabe für das/die Foto(s) (Symbolfoto):
- Stressoren: (c) Susanne Buchheim
- Stressbedingte Krankheiten: (c) Susanne Buchheim
- Foto Susanne Buchheim: (c) Susanne Buchheim
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