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Österreich: Prozess über Amtshaftung wegen Ischgl

Österreich: Prozess über Amtshaftung wegen Ischgl

Von Thomas Waetke 20. Januar 2021

Am 9. April findet vor einem österreichischen Zivilgericht die erste mündliche Verhandlung über einen Amtshaftungsanspruch statt, den Betroffene wegen vermeintlicher Untätigkeit der Regierung in Ischgl geltend machen. Die Kläger werden von einem Verbraucherschutzverein unterstützt, bei dem sich nach eigenen Angaben tausende Betroffene gemeldet hatten. Insgesamt soll eine dreistellige Zahl von Klagen eingereicht werden. In den Verfahren geht es um die Frage, ob die Regierungsstellen frühzeitig und schnell genug gegen die Ausbreitung des Coronavirus in dem Skiort Ischgl vorgegangen waren; die Kläger – darunter  in Ischgl infizierte Personen oder auch Angehörige von verstorbenen Personen – behaupten, die Beendigung der Skisaison sei wichtiger gewesen als rasche Eindämmungsmaßnahmen. Ischgl gilt als einer der Hotspots im Frühjahr 2020, aus dem unzählige Touristen infiziert wieder nach Hause gereist und so den Virus (schneller) in der Welt verteilt hatten.

Hintergrundinfo
In Österreich wie auch in Deutschland läuft ein Zivilprozess, bei dem es um Geld geht, nach einem strengen formellen Schema ab. Der Kläger (= derjenige, der einen Anspruch behauptet) reicht schriftlich eine Klage ein. Darin muss er dem Gericht erklären, was er überhaupt will (“Anträge”), und muss auch nachvollziehbar begründen, warum er das haben will (“Klagebegründung”).

Diese Klageschrift wird dann vom Gericht dem Beklagten förmlich zugestellt. Der Beklagte bekommt dann üblicherweise 2-4 Wochen Zeit, auf diese Klage zu reagieren (“Klagerwiderung”), d.h. er muss erklären, warum er glaubt, dass die behaupteten Ansprüche nicht bestehen.

Jetzt ist das Gericht erstmals in der Lage, beide Seiten zu kennen.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten: Bei einfachen Sachverhalten (= es ist überschaubar, was wann wie passiert ist) wird der Prozess oftmals rein schriftlich abgewickelt. D.h. Kläger und Beklagten schreiben nur, was sie sagen wollen, und das Gericht erteilt ggf. schriftlich Hinweise, danach ergeht dann das Urteil.

Sind aber der Sachverhalt und/oder auch die Rechtslage schwieriger (weil z.B. auch Zeugen vernommen werden müssen), dann kommt es alsbald zu der sog. mündlichen Verhandlung. Das bedeutet, dass sich Kläger und Beklagter im Gericht treffen. Hier kann das Gericht Nachfragen stellen oder schon eine erste Meinung kommunizieren. Meistens werden hier einige Details geklärt und das Gericht versucht herauszufinden, ob nicht doch noch eine vergleichsweise Einigung möglich ist.

In einem Prozess kann es mehrere solcher mündlicher Verhandlungen geben; je komplizierter die Rechtsfragen oder der Sachverhalt sind, oder je mehr Zeugen es gibt, desto mehr Verhandlungstage kann es geben. Unter Umständen muss ein Sachverständigengutachten erstellt werden, ggf. muss dann der Sachverständige auch nochmal sich mündlich äußern oder von den Beteiligten befragt werden. So können schnell Monate vergehen.

Solche Amtshaftungsprozesse, in denen es um die Haftung des Staates für seine Fehler geht, sind für den Staat nicht unheikel. Zwar sind die Hürden für eine Amtshaftung höher als bei “normalen” Klageparteien (was ich für richtig erachte, da sich sonst ja gar kein Beamter mehr zu irgendetwas traut), aber wenn der Staat denn mal verurteilt wird, sind die Reaktionen oftmals radikal.

Ein Beispiel
Vor wenige Jahren hatte der Bundesgerichtshof eine Stadt verurteilt, für den Tod eines Kindes in einem Baggersee verantwortlich zu sein. Das Kind war ertrunken an einer von der Stadt in den See eingebrachten Badeinsel. Das Argument: Diese Badeinsel habe den Eindruck erweckt, der Staat würde sich um die Sicherheit des Sees der Badenden kümmern. Aus Sicht der Stadt wollte man aber einfach nur etwas Komfort für die Bürger schaffen. Die Reaktion auf das Urteil fiel deutschlandweit ähnlich aus: Vielerorts wurden Badeseen komplett gesperrt aus Sorge vor einer Haftung bei Badeunfällen.

Ähnliches könnte passieren, sollte der Staat tatsächlich verurteilt werden, weil er in Ischgl zu spät reagiert hätte. Eine nachvollziehbare Reaktion wäre, dass der Staat künftig bei bereits kleinsten Infektionsgeschehen einen zumindest örtlich begrenzten Lockdown anordnet. So verständlich diese Reaktion sein mag, darf dies allerdings auch nicht die Rechte der Betroffenen beschneiden, Amtshaftungsklagen erheben zu dürfen.

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