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Menschen müssen sich „riechen können“ um eine gute Beziehung miteinander aufzubauen

Menschen müssen sich „riechen können“ um eine gute Beziehung miteinander aufzubauen

Von Thomas Waetke 18. Februar 2022

Quo Vadis Events 2022? Über diese Frage sprachen wir mit Frank Dräger, Head of Business Partnering & Innovation @Event Management, Bayer AG.  Für Ihn steht fest: kleinere und kurze Meetings, vor allem mit internationalem Teilnehmerkreis, werden weiterhin online durchgeführt werden. Präsenzmeetings werden nicht mehr so selbstverständlich sein wie früher, aber sie sind sehr wichtig, da digitale Meetings in vielen Aspekten des Meeting Designs an ihre Grenzen kommen. Für hybride Veranstaltungen prognostiziert Frank Dräger keine glänzende Zukunft.

Digital, hybrid oder Präsenz – wo geht die Reise 2022 hin?

Frank Dräger: „Vereinzelt werden derzeit Präsenzmeetings (interne Meetings) im Q2 vorsichtig geplant, aber mit einem Schub rechne ich erst ab Q3. Physische Events mit Kunden wollen wir nicht vor Q3 durchführen – es sei denn, die aktuelle Situation bessert sich rapide.

Kleinere und kurze Meetings vor allem mit internationalem Teilnehmerkreis werden weiterhin online durchgeführt werden – da wird den Hotels und Airlines ein Marktsegment wegbrechen. Präsenzmeetings werden nicht mehr so selbstverständlich sein wie früher, aber selbstverständlich sind sie ungemein wichtig, weil digitale Meetings in vielen Aspekten des Meeting Designs an ihre Grenzen kommen und weil Menschen „sich riechen können müssen“, um eine gute Beziehung miteinander aufzubauen. Was glaube ich unterschätzt wird, ist dass die Machbarkeit oder Durchführbarkeit eins online Meetings nicht automatisch bedeutet, dass es erfolgreich ist. Meetings sollen Verhalten der Teilnehmer verändern – diese Ziele werden aus meiner Sicht häufig besser durch Präsenzmeetings erreicht. Vorausgesetzt, sie sind sorgfältig designed.

Hybrid ist zwar das Buzzword unserer Zeit, aber ich sage den hybriden Meetings keine glänzende Zukunft voraus. Hybrid heißt für mich, eine Präsenzveranstaltung + diverse Hubs, in denen ebenfalls Menschen zusammenkommen (die aber allenfalls innerhalb ihres Landes reisen) und Teilnehmer, die sich online dazuschalten. Alle werden zusammengeschaltet. Das bedeutet dennoch, dass ich mindestens 3 Teilnehmergruppen habe (ohne die Hubs immer noch 2), für die ich unterschiedliche Meetingkonzepte benötige. Und die auch nur teilweise kompatibel sind. Ein Hybridmeeting sind also mindestens zwei Meetings – in der Planung und in der Umsetzung – idealerweise mit einigen sehr gut geplanten Schnittmengen. Ein sehr großer Aufwand, sehr hohe Kosten und aus meiner Sicht ist es sehr fraglich, ob dann die Ergebnisse diese Investition rechtfertigen. Wir haben da andere Ideen und Ansätze entwickelt.“

Wie werden sich Planungszeiträume, Budgets und zu erwartende Teilnehmerzahl in diesem Jahr verändern?

Frank Dräger: „Mit dem Blick auf die Pandemie werden die Planungszeiträume eher kürzer sein. Man hofft, plant vorsichtig, verschiebt ein wenig, verschiebt noch ein wenig mehr. Allerdings, größere Projekte werden tatsächlich frühestens im Q3 geplant, weil man sich vorher keine Chancen ausrechnet.

Die Budgets sind gekürzt, die Firmen sind auf den Geschmack gekommen. Reisen und Meetings produzieren eine Menge Kosten und für die Finanzvorstände fühlt es sich gut an, wenn diese Kosten nicht anfallen.

(Das heißt im Umkehrschluss: wenn ich gut darlegen kann, dass mein Event eine Investition ist, weil ich nicht nur Kosten produziere, sondern durch das Meeting einen Mehrwert für die Firma und jeden einzelnen Teilnehmer generiere, dann habe ich gute Chancen, das Budget zu erhalten. Dafür brauchte es Meeting Designer – ein Weg, den wir mit unserer Abteilung bereits vor 3 Jahren beschritten haben…..)“

Welchen Stellenwert wird das Thema Nachhaltigkeit einnehmen?

Frank Dräger: „Bayer wird bis 2030 eine ausgeglichene CO2 Bilanz erreichen. Ein ganz wichtiges und großes Ziel für unser Unternehmen. Selbstverständlich arbeiten wir in unserem Bereich daran mit. Wir sind dabei ein Programm für sustainable meetings zu launchen, d.h. wir haben ein Konzept entwickelt, um zum einen das Bewusstsein für den CO2 Fußabdruck zu entwickeln, den jedes einzelne Meeting hinterlässt und zum anderen die Stellschrauben zu definieren, mit denen wir diesen Fußabdruck verkleinern oder vermeiden können.

Ich möchte aber dazu sagen, dass ich damit nicht befürworte, nur noch digitale Meetings durchzuführen. Die Begegnungen von Menschen sind nicht nur für das Unternehmen und den Unternehmenserfolg, sondern für unser aller Wohlbefinden wichtig und notwendig.“

Welche Herausforderungen wird 2022 mit sich bringen?

Frank Dräger: „Ab Q2, spätestens Q3 stürzen sich alle Unternehmen, Verbände, Institutionen etc. auf die Hotels, um wieder live-Meetings durchzuführen. Die Hotels, die Gastronomie und die gesamte Veranstaltungsbranche beklagen bereits heute einen Exodus der Mitarbeiter aus ihrer Industrie – es fehlen die Fachkräfte an allen Ecken und Enden. Ich sehe enorme Schwierigkeiten auf alle Beteiligten zukommen – zum einen bei der Bearbeitung der Anfragen, aber auch und besonders bei der Durchführung der Events. (Und wenn es ganz blöd läuft, müssen dann auch noch alle Projekte verschoben werden, weil wir aus Gründen, die mir bis heute nicht begreiflich sind, noch immer keine ausreichende flächendeckende Impfquote haben…..)

Und selbst wenn die Events stattfinden, habe ich meine Zweifel, ob die aus der Vergangenheit gewohnten Qualitätsstandards eingehalten werden.

Was ich nicht verstehe: wenn ich Hotel oder Veranstalter wäre, würde ich bereits heute darüber Gespräche mit meinen Kunden führen. Erwartungsmanagement nennt man das neudeutsch, glaube ich. Und man könnte ja im Vorfeld gemeinsam überlegen, an welchen Stellen verkraftbare Einschnitte an der Servicequalität vorgenommen werden könnten.“

Langfristig gesehen: wie wird der Veranstaltungsmarkt nach Corona aussehen?

Frank Dräger: „Das ist ja in den bisherigen Antworten schon durchgedrungen. Bestimmte Veranstaltungen bleiben digital, es wird grundsätzlich weniger Präsenzveranstaltungen geben, aber die, die durchgeführt werden, sind hochwertig und sehr gut geplant.

In der Vergangenheit war es für viele KollegInnen mitunter eine Last, von Veranstaltung zu Veranstaltung zu reisen, oft auch quer durch die Welt. In Zukunft könnte es ein Incentive sein!“

 

EVENTFAQ sprach mit Frank Dräger, Head of Business Partnering & Innovation @Event Management, Bayer AG

Seit 2007 ist Frank Dräger in unterschiedlichen Rollen im Eventmanagement der Bayer AG tätig. Er betrachtet Meeting Design als ungemein wichtige Disziplin, weil Meetings und Events sehr viel Geld verschlingen, welches nur dann als sinnvolle Investition betrachtet wird, wenn es messbare Ergebnisse gibt.

Für dieses Thema brennt Frank Dräger und tut alles dafür, dem Event Consulting zu der Rolle im Unternehmen zu verhelfen, die es verdient. Für diese Themen ist er auch immer auf der Suche nach neuen Impulsen, Inspirationen und spannenden Gesprächen.

Urheberangabe für das/die Foto(s) (Symbolfoto):

  • Thomas-Waetke_Profil: © Sebastian Heck
  • Frank Dräger im Interview: Frank Dräger: ©privat, Interviewbanner: © canva.com