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Lockdown beschlossen – kommt die Vermutung der Vertragsstörung?

Lockdown beschlossen – kommt die Vermutung der Vertragsstörung?

Von Thomas Waetke 13. Dezember 2020

Am heutigen Sonntag hat die Konferenz der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin (MPK) einen weitreichenden Lockdown beschlossen. Während u.a. kulturelle Einrichtungen wie schon seit Ende Oktober weiterhin geschlossen bleiben, gehen nun auch der Einzelhandel und Schulen usw. in den Lockdown – und das bis mindestens 10. Januar 2021.

Unterstützungshilfen werden fortgesetzt

Im Beschluss unter Punkt Nr. 14 wird darauf hingewiesen, dass die Unterstützungshilfen fortgesetzt werden sollen:

„14. Die Maßnahmen führen dazu, dass einige Wirtschaftsbereiche auch im kommenden Jahr weiterhin erhebliche Einschränkungen ihres Geschäftsbetriebes hinnehmen müssen. Daher wird der Bund die betroffenen Unternehmen, Soloselbständigen und selbständigen Angehörigen der Freien Berufe auch weiterhin finanziell unterstützen. Dafür steht die verbesserte Überbrückungshilfe III bereit, die Zuschüsse zu den Fixkosten vorsieht. Mit verbesserten Konditionen, insbesondere einem höheren monatlichen Zuschuss in Höhe von maximal 500.000 Euro für die direkt und indirekt von den Schließungen betroffenen Unternehmen, leistet der Bund seinen Beitrag, Unternehmen und Beschäftigung zu sichern. Für die von der Schließung betroffenen Unternehmen soll es Abschlagszahlungen ähnlich wie bei den außerordentlichen Wirtschaftshilfen geben. Der mit den Schließungsanordnungen verbundene Wertverlust von Waren und anderen Wirtschaftsgütern im Einzelhandel und anderen Branchen soll aufgefangen werden, indem Teilabschreibungen unbürokratisch und schnell möglich gemacht werden. Zu inventarisierende Güter können ausgebucht werden. Damit kann der Handel die insoweit entstehenden Verluste unmittelbar verrechnen und steuermindernd ansetzen. Das sichert Liquidität.“

Leider sind die Novemberhilfen bisher nur bei wenigen Antragstellern zumindest als Abschlagszahlung angekommen; offenbar soll es noch bis Januar dauern, bis die Novemberhilfe ausbezahlt werden kann – angeblich weil die Software dazu früher nicht zur Verfügung steht.

Was mir in dem Beschluss fehlt: Die bisher ausgesetzte Insolvenzantragsfrist wird bisher nicht über den 31.12. hinaus verlängert. Unabhängig davon, dass die Aussetzung zigtausende „Zombiefirmen“ am Leben hält und vielfach kritisiert wird, hat sie doch zumindest verhindert, dass bislang viele Unternehmen Insolvenz beantragen müssten.

Wegfall der Geschäftsgrundlage wird vermutet

Die MPK hat einen bemerkenswerten Punkt Nr. 15 in den Beschluss aufgenommen:

„15. Für Gewerbemiet- und Pachtverhältnisse, die von staatlichen Covid-19 Maßnahmen betroffen sind, wird gesetzlich vermutet, dass erhebliche (Nutzungs- ) Beschränkungen in Folge der Covid-19-Pandemie eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellen können. Damit werden Verhandlungen zwischen Gewerbemietern bzw. Pächtern und Eigentümern vereinfacht.“

Dieser Punkt zielt auf den sog. „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ i.S.d. § 313 BGB ab.

Wie ich hier auch berichtet hatte, haben die Gerichte bisher mehrheitlich die Anwendbarkeit des § 313 BGB abgelehnt – wobei es in diese Fällen nicht um bspw. eintägige Veranstaltungen ging, bei denen Räume gemietet wurden, sondern um langjährige Mieten von Geschäftsräumen. Die meisten Gerichte hatten bisher diesen Mietern das alleinige Risiko zugesprochen, dass die Raumnutzung durch eine Pandemie vorübergehend gestört ist – das liegt durchaus nicht völlig fern, da der Mieter in diesen Fällen über viele Jahre mietet und es typischerweise immer passieren kann, dass Umsätze steigen oder fallen, was auch durch Veränderungen im Umfeld (z.B. Baustellen, Nachbarn usw.) beeinflusst werden kann.

Das Besondere bei Veranstaltungen ist, dass die Miete von Räumen bzw. Flächen oftmals kurzfristiger, teilweise wenige Tage oder nur 1 Tag erfolgt – und durch eine pandemiebedingte Schließung womöglich 100 % der Mietzeit zu einer Nichtnutzbarkeit führen. Hierzu wurden aber soweit ersichtlich noch keine Urteile gefällt bzw. veröffentlicht.

Es gibt noch viele Fragezeichen

Mit dem MPK-Beschluss wird in dieses System von Seiten des Gesetzes eingegriffen. Hierzu stellen sich spontan einige Fragen, z.B.:

  • Ob und wie wird dieser Beschluss-Punkt-Nr. 15 in ein Gesetz (welches?) eingebracht – und wann?
  • Gilt diese Wertung auch rückwirkend?
  • „vermutet“ bedeutet, dass diese Vermutung widerlegt werden kann – üblicherweise von demjenigen, gegen den diese Vermutung wirkt. Das wäre hier dann der Vermieter; d.h. der Vermieter müsste nachweisen, dass die Geschäftsgrundlage gar nicht so gestört sei, dass der Vertrag unverändert fortgesetzt werden könnte. Wird dieses Schema auch gelten?
  • Wie gehen die Gerichte damit um, dass ihre Mehrheit bisher gegen den Wegfall der Geschäftsgrundlage „gestimmt“ hat, nun aber eine gesetzliche Wertung erfolgt? Folgen die Gerichte dieser Wertung?
  • Ist es verfassungsgemäß, wenn der Gesetzgeber quasi in bestehende Mietverträge mit einer gesetzlichen Wertung eingreift?

D.h. unter dem Strich dürfte der Punkt Nr. 15 m.E. Streitigkeiten zwischen Mietern und Vermietern nicht lösen, aber wohl zumindest den Mietern ein zusätzliches Argument an die Hand geben.

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