In Augsburg (Bayern) fand vergangenen Freitag ein sog. Strandkorb-Konzert statt: Künstler stehen live auf der Bühne, die Zuschauer sitzen in Strandkörben, und werden dort auch vom Servicepersonal bedient.
Kult-Musiker Helge Schneider hat dort sein Konzert nach 40 Minuten abgebrochen und ist von der Bühne gegangen. Offenbar hat er sich durch das hin- und herlaufende Gastropersonal in seiner Konzentration gestört gefühlt, und es sei keine Stimmung unter den Besuchern aufgekommen.
Für die weiteren Strandkorb-Konzerte soll dazu eine Lösung gefunden werden; die Rückabwicklung für die Augsburger Ticketkäufer, die teilweise von weit her angereist waren, wird noch geklärt.
Wie ist die Rechtslage?
Der Veranstalter hat mit den Besuchern einen Vertrag geschlossen. Danach werden zwei Hauptpflichten geschuldet:
- Der Veranstalter muss eine Show abliefern.
- Der Besucher muss das Eintrittsgeld bezahlen.
Was bedeutet nun “Show”?
Das kommt darauf an, was der Veranstalter angekündigt = versprochen hat:
- Dauer der Show, Beginn und Ende
- Inhalte bzw. Programmpunkte: Welche Künstler?
- Rahmenbedingungen: Catering, Sitzplätze, Stehplätze…
Diese Inhalte bzw. Bedingungen werden Vertragsbestandteil. Und nachdem der Vertrag zustandegekommen ist, kann der Veranstalter nicht mehr einfach Inhalte davon verändern.
Natürlich gibt es eine Range, die üblich ist und auch vertragsrechtlich akzeptiert wird, z.B.:
- Wenn das Konzert für 100 Minuten angekündigt war, machen ein paar Minuten kürzer oder länger nichts aus;
- auch ein paar Minuten Verspätung stören nicht;
- wenn der Bratwurstgrill ausfällt, stört es auch nicht, solange kein Bratwurst-Festival angekündigt wurde.
Dem stehen die Gegenleistungen und Aufwendungen der Besucher gegenüber:
- Der Besucher hat im Zweifel bereits 100 % der Eintrittsgelder bezahlt;
- der Besucher hat Fahrt- und ggf. Übernachtungskosten investiert;
- er hat ggf. Urlaub genommen, um an dem Konzert teilhaben zu können.
Wenn ein Künstler aber bereits nach 40 Minuten die Bühne verlässt (man kann davon ausgehen, dass das Konzert nicht nur 45 Minuten regulär gedauert hätte), dann fehlt natürlich ein wesentlicher Teil des Konzerts.
Nun muss man unterscheiden:
- Der Besucher kann das Eintrittsgeld ganz oder teilweise zurückverlangen, wenn er bereits bezahlt hat. Hat er noch nicht bezahlt, entfällt seine Zahlungspflicht entsprechend.
- Der Besucher kann darüber hinaus Ansprüche auf Schadenersatz haben:
- Fahrtkosten
- Übernachtungskosten
- entgangene Urlaubsfreuden (so nennt man das tatsächlich, wenn man sich extra einen Urlaubstag genommen hätte).
Eintrittsgeld
Die Rückzahlung des Eintrittsgeld hängt übrigens nicht davon ab, ob der Veranstalter etwas dafür kann, dass das Konzert vorzeitig abgebrochen wurde: Selbst bei Unwetter oder Höherer Gewalt gilt nämlich, dass eben die geschuldete Show nicht oder nicht vollständig erbracht ist. Dann muss aber auch der Besucher nicht oder nicht vollständig bezahlen.
Fahrtkosten u.a.
Anders ist das beim Schadenersatz (Fahrtkosten usw.): Denn Schadenersatz gibt es grundsätzlich nur, wenn der Veranstalter den Schaden schuldhaft (= fahrlässig oder vorsätzlich) verursacht hätte.
Dem Veranstalter wird dabei ein Verschulden “seines” Künstlers zugerechnet. Verlässt also der Künstler ohne wichtigen Grund die Bühne vorzeitig, so hat der Veranstalter den vorzeitigen Abbruch des Konzerts verschuldet.
Daher kommt grundsätzlich ein Schadenersatzanspruch in Frage. Es ist nun – wie so oft – eine Frage des Einzelfalls, wie lange lief das Konzert schon usw.? Die Rechtslage ist übrigens durchaus umstritten, einige Gerichte verneinen einen Schadenersatzanspruch mit dem Argument, es würde sich um sog. Sowieso-Kosten handeln: Die Kosten wären ja ohnehin angefallen.
Vertrag zwischen Veranstalter und Künstler
Daneben gibt es noch den Vertrag zwischen Veranstalter und Künstler. Auch dort gibt es geschuldete Pflichten:
- Der Künstler schuldet die Show.
- Der Veranstalter schuldet die Gage, ggf. Technik, Catering usw.
Wenn der Künstler die Show abbricht, weil ihm die Rahmenbedingungen nicht passen oder sie ihn stören, so kommt es auf den Einzelfall an:
- Sind die Umstände tatsächlich unzumutbar? Bspw. muss sich ein Künstler nicht mit Kartoffelsalat von Besuchern bewerfen oder bedrohen lassen.
- Oder sind es Randbereiche, die sich nicht gravierend auf die Hauptpflicht auswirken? Bspw. weil die belegten Brötchen etwas latschig sind.
Im eingangs beschriebenen Konzert hatte der Künstler anschließend mitgeteilt, er habe sich nicht konzentrieren können aufgrund der vielen Bewegungen durch das Gastropersonal.
Nun, ich war nicht dabei und kann es nicht bewerten. Aber es hängt u.a. auch davon ab, ob der Künstler vorher wusste, was auf ihn zukommt. Kannte er bspw. das Konzept? Wenn ja, dann kann er sich nachher auch nicht beschweren, wenn es so läuft wie es gelaufen ist.
Hat der Künstler also ohne Not seine Show abgebrochen, und hat der Veranstalter diesen Abbruch nicht verschuldet, dann kann sich ein Künstler sogar schadenersatzpflichtig machen:
- Die Gage wird er nicht oder nur anteilig erhalten können: Er hat ja auch nur einen Teil seiner vertraglich geschuldeten Show erbracht.
- Dem Veranstalter entsteht ein immenser Schaden, weil er u.a. Eintrittsgelder zurückerstatten muss. Hat der Künstler fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt, kann es sogar soweit gehen, dass der Künstler dem Veranstalter den entgangenen Gewinn erstatten muss.
Handlungsempfehlungen:
- Veranstalter sollten ihren Mitwirkenden (Künstlern, Referenten, Moderatoren usw.) deutlich das Veranstaltungskonzept kommunizieren.
- Es macht bspw. auch einen erheblichen Unterschied, ob die Veranstaltung aufgezeichnet oder live gestreamt wird.
- Gibt es Beschränkungen durch Lärm, Licht, Nähe usw.?
- Sollte der Fall der Fälle eintreten, gilt es, sich unmittelbar für einen Streit zu wappnen: Denn oftmals scheitern Ansprüche am Ende an fehlenden Beweisen, Erinnerungslücken usw. Daher: Fotos machen, aufschreiben, Zeugen suchen, Zeugenaussagen notieren usw.
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