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aus dem Eventrecht

Haftung des Veranstalters einer Wanderung für Sturzschäden

Von Thomas Waetke 5. Januar 2017

Leitsätze:

  1. Der Veranstalter einer Wanderung, deren Teilnehmer ein Entgelt entrichten müssen, kann die Haftung für Schäden aus einer fahrlässigen Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit nicht wirksam ausschließen.
  2. Dass ein Wanderteilnehmer an einer abschüssigen Stelle stürzt, die nur infolge Dauerregens rutschig geworden ist, indiziert keine Pflichtverletzung des Veranstalters, weil ihn keine lückenlose Dauerüberwachungspflicht aller potenziell gefährlichen Streckenabschnitte trifft.

OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 18.02.2013, Aktenzeichen 5 U 34/13

Zum Sachverhalt

Die Kl. nimmt den beklagten Verein auf materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch. Bei einer vom Bekl. zwischen Donnerstag, dem 23. 6. 2011 (Fronleichnam), und Sonntag, dem 26. 6. 2011, organisierten Wanderveranstaltung im und rund um das A-Tal soll der Bekl. seine Verkehrssicherungspflicht verletzt haben. Wie bereits an den Tagen zuvor regnete es am 23. 6. 2011 im Wandergebiet ergiebig. Die Kl., die sich beim Bekl. zu einer Wanderung auf einen „T.“ genannten Aussichtspunkt bei X. angemeldet hatte, stürzte beim Abstieg vom „T.“ und verletzte sich erheblich. Die Kl. trägt vor, die Wanderstrecke bergab habe sich am Unfalltag in einem derart gefährlichen Zustand befunden, dass der Bekl. sie habe sperren müssen. Alternativ sei an die Aufstellung von Warnschildern oder Haltepfosten zu denken, was der Bekl. ebenfalls versäumt habe.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf den Hinweis des Senats wurde die Berufung zurückgenommen.

Aus den Gründen

(…)

4. Das Rechtsmittel erscheint aussichtslos. Das LG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Was die Berufung vorbringt, ist nicht stichhaltig.

Anders als in Fällen, bei denen etwa ein Waldeigentümer wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch genommen wird (vgl. dazu aus der neueren Rechtsprechung die in NJW 2013, Seite 48 = VersR 2012, Seite 1528 abgedruckte Entscheidung des BGH vom BGH 2.10.2012), geht es im vorliegenden Fall um eine vertragliche Haftung des Bekl. wegen Schlechterfüllung des Vertrags, durch den er sich verpflichtet hatte, die Wanderung zu organisieren. Der Klageerwiderung entnimmt der Senat, dass die Kl. nach der Anmeldung ein Entgelt bezahlen musste und eine Stempelkarte erhielt, die an den jeweiligen Wanderzielen abgestempelt werden sollte. Ein eingeschränktes Haftungsmaß, das bei bloßen Gefälligkeiten in Betracht kommt, steht also nicht zur Debatte. Dass auch der Bekl. bereits seinerzeit eine rechtliche Einstandspflicht sah, erschließt sich daraus, dass er die Infobroschüre, die den Teilnehmern zusammen mit der Stempelkarte übergeben wurde, mit dem Hinweis versehen hatte, dass die Teilnahme an der Wanderung auf eigene Gefahr erfolge und die Haftung des Veranstalters ausgeschlossen sei. Diesem Vorbringen ist die Kl. mit der Rechtsansicht entgegen getreten, das könne dem Bekl. „nicht zugutekommen“, weil es hier um bedingten Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit gehe. Dieses Vorbringen der Kl. zielt einerseits auf § 276 Absatz III BGB, wonach die Haftung für Vorsatz nicht im Voraus erlassen werden kann, und im Übrigen auf § 309 Nummer 7 BGB, wonach Klauseln unwirksam sind, die bei Körperverletzungen die Haftung für fahrlässige und bestimmte vorsätzliche Pflichtverletzungen ausschließen.

Anders als die Kl. anscheinend meint, steht eine vorsätzliche Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Bekl. nicht zur Debatte. Nach Auffassung des Senats lässt sich aber auch eine fahrlässige Pflichtverletzung (§ 281 BGB) des Bekl. nicht feststellen. Es steht außer Zweifel, dass die Wegstelle, an der die Kl. stürzte, gewöhnlich bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gefahrlos begangen werden kann. Dementsprechend stellt die Berufung auch die widrige Witterung am Tag des Unfalls und an den Tagen zuvor in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen, indem sie behauptet, erst durch den Dauerregen sei der Streckenabschnitt unpassierbar geworden.

Dazu ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden muss. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der Risikozuweisung hinsichtlich wandertypischer Gefahren auf steilen Wegstrecken bei Dauerregen ist eine Haftung des Bekl. vorliegend nicht gegeben. Wie der Senat weiß (§ 291 ZPO) ist das Wandergebiet zerklüftet; die mäandernde A hat sich tief in die gebirgige Landschaft um X. gegraben. Bei Wanderungen oberhalb des im Talkessel gelegenen Ortes sind daher steile An- und Abstiege zu bewältigen. Auch das konkrete Ziel der Kl. vermittelt bereits mit dem Namen „T.“ nicht die Vorstellung, der Weg dorthin sei ein gemütlicher Spaziergang ohne jedwede widrigen Streckenabschnitte. Hinzu kam, dass der Dauerregen auch am Unfalltag anhielt. All das musste der Bekl. in seine Überlegungen zu der Frage einbeziehen, ob die Wanderstrecken auch in besonders steilen Abschnitten noch gefahrlos zu bewältigen waren. Dass die Sturzgefahr in steilen Abschnitten deutlich erhöht ist, steht außer Frage, ist jedoch haftungsrechtlich irrelevant, weil die daraus resultierende allgemeine Gefährdung vertrags- und veranstaltungsimmanent war, weil kein Wanderer ernsthaft erwarten kann, dass die Gesetze der Schwerkraft in Steilstrecken denen in der Ebene entsprechen. Zu einer reaktionspflichtigen Gefahrenlage konnte sich das Ganze erst dann verdichten, wenn einzelne Streckenabschnitte witterungsbedingt nur unter Anstrengungen passiert werden konnten, die von einem durchschnittlichen Wanderer nicht zu bewältigen waren.

Das lässt sich hier für die Zeitspanne bis zum Unfall der Kl. nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Angaben der Kl. bei der Parteianhörung deuten in eine andere Richtung. Danach hatte die Veranstaltung um 10 Uhr begonnen. Gegen 12.30 Uhr erreichte die Kl. mit ihren Wanderkameraden das T. Der dortige Aussichtspunkt war bereits wegen der hohen Teilnehmerzahl gesperrt worden. Dem entnimmt der Senat, dass es zahlreichen Wanderern gelungen war, den Aussichtspunkt auf den dafür vorgesehenen Wegen zu erreichen, ohne Schaden zu nehmen. Dass alle Wanderer dabei den Weg gemieden hatten, auf dem die Kl. beim späteren Abstieg stürzte, liegt fern und wird von der Berufung auch nicht behauptet. Daraus erschließt sich, dass die Stelle, an der die Kl. stürzte, bis kurz vor dem bedauerlichen Unfall, noch passierbar war. Mithin hätten auch die Mitarbeiter des Bekl. frühestens auf Grund des Sturzes der Kl. die Erkenntnis gewinnen müssen, dass eine Sperrung des Weges oder eine Sicherung der Gefahrenstelle geboten war. Bei dieser Sachlage war für den Bekl. im Schadenszeitpunkt nicht erkennbar, dass eine Sicherungs- und Warnpflicht bestand, der er nicht nachgekommen war. Mangels Verschulden des Bekl. hat das LG daher die Klage zu Recht abgewiesen, ohne dass es noch darauf ankommt, ob die von der Kl. als kränkend empfundenen Erwägungen des Einzelrichters zum vermeintlich weit überwiegenden Eigenverschulden der Kl. zutreffen.

5. Nach alledem sollte die Kl. erwägen, das Rechtsmittel aus Kostengründen zurückzunehmen.

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