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EVENTFAQ im Gespräch mit Dr. Dietmar Bartsch (Die Linke)

EVENTFAQ im Gespräch mit Dr. Dietmar Bartsch (Die Linke)

Von Thomas Waetke 23. August 2021

EVENTFAQ hat Vertreter der sechs Bundestagsfraktionen zum Thema Kunst, Kultur und Veranstaltungen befragt. Mit Dr. Dietmar Bartsch,Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag, sprachen wir Ende Mai. Für ihn sind Kunst, Kultur und Veranstaltungen Unterhaltung, Genuss, Bildung und daher auch eine Art Lebensmittel.

Sind Unterstützungen für Kunst, Kultur und die Veranstaltungsbranche in Ihrem Wahlprogramm vorgesehen?

Dr. Dietmar Bartsch: “Natürlich. Das ist ja ein wichtiger Bestandteil unserer Kritik an der Corona-Politik gewesen. Dass eine Lockdownpolitik gemacht werden musste, bestreitet kein vernünftiger Mensch. Aber bei der sozialen und ökonomischen Abfederung der Folgen des Lockdowns kann man schon demonstrieren, wer in diesem Land politischen Einfluss hat und wer nicht. Auf jeden Fall müssen Kunst, Kultur und die Veranstaltungsbranche stark unterstützt werden. Übrigens sagen mir viele Künstler, dass es ein Glücksfall war, dass in Berlin gerade der Linke Klaus Lederer Kultursenator ist. Vertreter der Veranstaltungsbranche waren in der Pandemie mehrfach Gäste meiner Fraktion. Das Lob für die Bremer Wirtschaftssenatorin von der LINKEN, Kristina Vogt, war geradezu überschwänglich.”

An einer Veranstaltung hängen oft viele dutzend andere Unternehmen (z.B. Taxi, Hotel, Einzelhandel). Was würden Sie tun, um einem Veranstalter das Risiko abzunehmen, in den unsicheren Zeiten eine Veranstaltung zu wagen?

Dr. Dietmar Bartsch: “Zunächst würde ich größere Veranstaltungen erst dann zulassen, wenn es wieder relativ sicher ist. Zudem müssen auch die Veranstalter selbst Verpflichtungen tragen (etwa im Rahmen eines sinnvollen Hygienekonzepts), was viele tun. Dann jedoch, gerade wenn Risiken wieder relativ kontrollierbar sind, sollte die Möglichkeit geprüft werden, so etwas wie Ausfallversicherungen einzuführen. Dass das nicht bezahlbar wäre, kann mir keiner erklären.”

Was würden Sie tun, um einen nächsten Lockdown zu umgehen?

Dr. Dietmar Bartsch, Die LinkeDr. Dietmar Bartsch: “Man kann einen Lockdown nicht umgehen, wenn er nötig wird. Im Gegenteil. Der Mangel der deutschen Corona-Politik war und ist, dass die Lockdown-Politik sich durch Inkohärenzen und Inkonsequenz auszeichnete. Damit gab es zu lange Lockdown-Phasen bei zu hohen Inzidenzwerten. Aber nötig wird ein Lockdown auch erst bei einer neuen Welle. Wir müssen den Sommer nutzen, um beispielsweise die Schulen und Kindergärten endlich sicherer zu machen. Noch ein weiteres Schuljahr unter Lockdown-Bedingungen wäre fatal. Natürlich können sich ein paar Bürokraten einreden, dass Unterricht stattgefunden hätte, aber das ist nur eingeschränkt zutreffend. Dann muss, solange die Gefahr einer neuen Welle nicht gebannt ist, das Impftempo beschleunigt werden. Zudem plädiere ich für die Patentfreigabe der Impfstoffe, damit auch in Ländern mit großer Armut geimpft werden kann. Es ist eine Pandemie, die globale Lösungen erfordert. Außerdem muss nach wie vor der Arbeitsschutz vertieft werden. Unternehmen müssen, wo es geht, zum Homeoffice verpflichtet werden.”

Was wird Ihre Partei anstreben, damit Kunst, Kultur und Veranstaltungen wieder Bestand haben und der Besuch von Veranstaltungen aller Art wieder für alle möglich sein wird?

Dr. Dietmar Bartsch: “Wir benötigen eine kontrollierte Öffnung. Die muss sich an den Inzidenzwerten orientieren und auf Hygiene-Konzepte setzen. In diesem Zusammenhang ist die Debatte um „Impfprivilegien“ wichtig. Ich lehne den Begriff ab. Meine Grundrechte sind mit mehr oder weniger guten Gründen eingeschränkt. Wenn diese Gründe entfallen, ist die freie Ausübung derselben kein Privileg, sondern eine Selbstverständlichkeit. Genau das ist auch anzustreben. Man kann den Kontakt mit Kultur nicht dauerhaft an irgendwelche Bedingungen knüpfen. Ich kann natürlich nicht sagen, wann das der Fall sein wird. Die Pandemieentwicklung liegt in der Zukunft und ist schwer zu prognostizieren. Ermutigend ist jedoch, dass das Absinken der Inzidenzwerte mit dem Impffortschritt zu korrelieren scheint.”

Was haben Sie als Learning aus der aktuellen Pandemie für eventuell zukünftige Krisen oder Pandemiesituationen für sich mitgenommen?

Dr. Dietmar Bartsch: “Mit Blick auf das Gesundheitssystem: Wir brauchen „Überkapazitäten“. Das Personal muss entlastet werden, damit es im Krisenfall auch belastet werden kann. Die Bezahlung muss erhöht werden. Das ist besser als ein Händedruck und freundliche Ermunterungen. Das stößt unweigerlich an die Grenzen privatkapitalistischer Verwertung. Hier muss also dringend entprivatisiert werden. Auch haushaltspolitisch ist bemerkenswert, dass die angeblich größte Errungenschaft angeblich vernünftiger Haushaltspolitik, die „schwarze Null“, sich nicht bewährt hat. Wir hatten alle paar Jahre größere Krisen. Der Staat benötigt Möglichkeiten der Finanzierung auch über eine moderate Schuldenaufnahme. Schließlich hat sich gezeigt, dass schnelles Handeln möglich ist. Ich hätte derartige Entschlossenheit gern auch bei anderen Dingen. Um nur zwei Beispiele zu benennen: bei der Bekämpfung von Kinderarmut oder Klimapolitik.”

Nennen Sie uns bitte 3 Punkte, warum ein Unternehmen aus der Veranstaltungsbranche Sie wählen sollte.

Dr. Dietmar Bartsch: “Erstens, weil alle gesehen haben, wie wir als LINKE in den Pandemie agiert haben und dass wir, wenn wir „Wirtschaft“ sagen, nicht zuerst an Banken, die Autoindustrie und andere Großkonzerne denken, sondern tatsächlich zuerst an so genannte kleine und mittelständische Unternehmen. Da ist gerade die Veranstaltungsbranche mitgedacht. Zweitens, weil ich für eine kontrollierte, aber zügige Rückkehr zur Normalität eintrete. Drittens, weil ich mir eine halbwegs vernünftige Gesellschaft nicht ohne lebendige Kunst und Kultur vorstellen kann.”

Wann würden Sie wieder eine Veranstaltung wie zum Beispiel: Theater, Oper, Konzert besuchen?

Dr. Dietmar Bartsch: “Sobald es geht. Wenn ich da etwas finde, das mich reizt.”

Das Interview führte EVENTFAQ mit Dr. Dietmar Bartsch am 31.05.2021.

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