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EuGH: Neue Definition von „Öffentlichkeit“?

Von Thomas Waetke 26. März 2012

Der Europäische Gerichtshof hat mit zwei Urteilen vom 15.03.2012 darüber entschieden, ob ein Hotel und ein Zahnarzt Lizenzgebühren an Tonträgerhersteller zu zahlen haben.

Maßgeblich ging es dabei um die Auslegung des Begriffes „öffentliche Wiedergabe“ vor dem Hintergrund einer EU-Richtlinie.

Überraschenderweise hat der EuGH beim Hotel die „Öffentlichkeit“ bejaht (siehe das Urteil hier), beim Zahnarzt aber verneint (siehe hier). Möglicherweise wird die insoweit neue Definition von Öffentlichkeit auch erhebliche Auswirkungen auf das deutsche Recht haben: Der EuGH hat nämlich als zusätzliche Voraussetzung den „Erwerbszweck“ genannt. Dieser spielt bisher bei der Frage, ob ein fremdes Werk öffentlich genutzt wird, keine Rolle. Zur (bisherigen) Definition der “Öffentlichkeit” im deutschen Urheberrecht siehe in den FAQ zum Urheberrecht “Wann ist eine Veranstaltung privat oder öffentlich? (Hier geht es zu den FAQ).

Beim EuGH ist es so, dass eine Generalanwältin in ihrem Schlussantrag eine Empfehlung ausspricht und die EuGH-Richter diesem Schlussantrag häufig auch folgen. Hier war das nicht so: Die Generalanwältin hatte sich in ihrem Schlussantrag deutlich dagegen ausgesprochen, dass der „Erwerbszweck“ eine Voraussetzung für die Öffentlichkeit sein solle. Ungeachtet dessen hat nun der EuGH eben den Erwerbszweck geprüft.

In Bezug auf die Muisknutzung in der Zahnarztpraxis hat der EuGH argumentiert:

Die Patienten eines Zahnarztes begeben sich nämlich zu dem einzigen Zweck in eine Zahnarztpraxis, behandelt zu werden, und eine Wiedergabe von Tonträgern gehört nicht zur Zahnbehandlung. Die Patienten genießen zufällig und unabhängig von ihren Wünschen je nach dem Zeitpunkt ihres Eintreffens in der Praxis und der Dauer des Wartens sowie der Art der ihnen verabfolgten Behandlung Zugang zu bestimmten Tonträgern. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die normalen Patienten eines Zahnarztes für die in Rede stehende Wiedergabe aufnahmebereit wären. Daher hat eine solche Wiedergabe […] nicht den Charakter eines Erwerbszwecks.

Würden wir im deutschen Recht künftig ebenfalls das Kriterium des Erwerbszwecks zu prüfen haben, dann hätte dies auch Auswirkungen auf die Veranstaltungsbranche.

Ein Beispiel: Auf einer Messe wird in einer Hallenecke Musik von einem Tonband abgespielt. Die Messebesucher sollen die Musik hören, sie ist also nicht nur für Mitarbeiter gedacht.

Bisher war diese Nutzung nahezu zweifelsfrei öffentlich u.a. mit der Folge, dass Gebühren an die GEMA zu zahlen wären.

Wäre die aktuelle Rechtsprechung des EuGH auch auf unsere deutsche Definition von Öffentlichkeit übertragbar, dann wäre das im Beispiel sehr zweifelhaft – und führte damit zu einer Unsicherheit des Veranstalters.

Derzeit prüfen wir gerade, ob die Urteile auch in Deutschland umzusetzen sind, eventfaq wird weiter berichten.

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