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Entschädigungsklagen: Erster Verhandlungstermin vor dem Bundesgerichtshof

Entschädigungsklagen: Erster Verhandlungstermin vor dem Bundesgerichtshof

Von Thomas Waetke 11. Februar 2022

Vor dem Bundesgerichtshof findet am 3. März 2022 die erste Verhandlung über Entschädigungsklagen wegen coronabedingten Betriebsschließungen statt: Ein Gastronom hatte das Land Brandenburg auf Schadenersatz verklagt, weil er seine Gaststätte nach Vorgaben der damaligen Corona-Landesverordnung zur Bekämpfung der Pandemie hatte schließen müssen. Die Vorinstanzen hatten die Klagen jeweils abgewiesen, der Gastronom ist daraufhin in die Revision vor den Bundesgerichtshof gegangen und hofft auf ein wegweisendes Urteil.

Bisher haben die Gerichte allerdings solche Klagen rundweg abgewiesen, darunter u.a. die Oberlandesgerichte Brandenburg, Stuttgart, Köln und Hamm sowie viele Landgerichte. Soweit ersichtlich, hat bisher noch kein Gericht eine solche Klage positiv stattgegeben. Das bedeutet natürlich nicht, dass der Bundesgerichtshof sich nicht gegen die Meinung der anderen Gerichte stellen könnte: Daher kommt diesem Verfahren eine hohe Bedeutung für eine Vielzahl von betroffenen Unternehmen zu.

Hintergrundinfo
“Verhandlung” bedeutet, dass das Gericht die Prozessparteien zu einem Termin geladen hat, in dem über die Sache diskutiert wird: Die klagende Partei und die beklagte Partei haben die Möglichkeit, mündlich noch einmal die für sie wichtigen Gesichtspunkte vorzutragen. Außerdem können Unklarheiten und prozessuale Fragen besprochen werden.

Das Gericht wiederum hat die Möglichkeit, bereits durchblicken zu lassen, welche Argumente ihm noch fehlen oder welche ggf. bereits überzeugend sind. So haben die Parteien auch nochmals die Chance, ihre Argumente im Nachgang schriftlich zu verstärken. Oftmals entspricht am Ende das Urteil den in der mündlichen Verhandlung vom Gericht bereits angedeuteten Richtung.

Oftmals versucht aber auch das Gericht einen Vergleich vorzuschlagen – was natürlich in dieser Angelegenheit fast schon “schade” wäre für alle anderen betroffenen Unternehmen.

In einem Verhandlungstermin gibt es nur selten ein Urteil, im Regelfall dauert es bis dahin dann noch mehrere Tage bis Wochen.

Der “Bundesgerichtshof” ist auch nicht irgendwer: Er ist die letzte Instanz in Zivilsachen. Was er entscheidet, gibt für die sog. Instanzgerichte (Amtsgericht, Landgericht und Oberlandesgericht) oftmals die Richtung für die Zukunft vor. Sollte bspw. der Bundesgerichtshof die Klage auf Entschädigung abweisen, würde es immer schwieriger werden bzw. ggf. auch unmöglich, andere Gerichte vom Gegenteil zu überzeugen. Allerdings könnte die unterlegene Partei auch noch vor das Bundesverfassungsgericht, um ggf. verfassungsrechtliche Verfahrensfehler prüfen zu lassen.

Wir berichten natürlich, wenn die Verhandlung vorbei ist und später auch das Urteil in der Welt ist.

UPDATE vom 17.03.2022:

Der Bundesgerichtshof hat in letzter Instanz Klagen auf Entschädigungen abgewiesen. Mehr »

An diesem Verfahren kann man übrigens unsere Arbeit als Anwälte ganz gut beschreiben:

Es gibt mehrere zehntausend Paragraphen, die aber entweder den konkreten Sachverhalt gar nicht betreffen, oder die in ihrer Formulierung unterschiedlich interpretiert werden können. Die wenigsten “Fälle” lassen sich “einfach” lösen. Das liegt auch daran, dass es oftmals auf kleine Details ankommen kann, die den Fall A schon schnell zu einem anderen Ergebnis führen können als den Fall B.

Bspw. bei den Entschädigungsklagen kann es womöglich einen Unterschied machen, ob man vom ersten oder vom vierten Lockdown redet, von einer mehrmonatigen Betriebsschließung oder einer kurzzeitigen, ob es ggf. darauf ankommt, dass man alles versucht, um Kosten zu sparen und Einnahmen zu generieren usw.

Allerdings können sich aus einem Gerichtsurteil zu Fall A durchaus Anhaltspunkte oder Argumente für den Fall B ergeben, u.a. darin findet sich dann die rechtswissenschaftliche Arbeit des Anwalts: Der Vergleich von Sachverhalten und der Abgleich mit vergleichbaren Urteilen, das Herausarbeiten von Unterschieden und die Bewertung dieser Unterschiede.

Und letztlich muss man versuchen zu bewerten, welche Relevanz bspw. eine Entscheidung eines Amtsgerichts haben kann: Ist die Entscheidung so bedeutungsvoll und inhaltlich durchdacht, dass sich möglicherweise andere Gerichte anschließen werden, ggf. sogar eine bis dahin vorherrschende Auffassung gekippt werden könnte?

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