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Eine Detailbetrachtung des § 40 MVStättVO

Eine Detailbetrachtung des § 40 MVStättVO

Von Thomas Waetke 16. Dezember 2019

Beim Jurastudium lernt man über viele Jahre hinweg, einen Gesetzestext zu “lesen”. Was auf den ersten Blick gar nicht so schwer erscheint, birgt aber oftmals viele Probleme.

Allgemein gilt:

Lesen Sie einen Paragraphen immer von ganz vorne bis ganz ans Ende – nicht nur einen Satz oder einen Absatz, sondern komplett.

Lesen Sie auch immer mindestens den Paragraphen davor und danach – denn oftmals finden sich darin Einschränkungen oder Ergänzungen.

Nageln Sie sich nicht (nur) auf den genauen Wortlaut fest. Hinterfragen Sie immer auch den Sinn & Zweck der Vorschrift: Im deutschen Recht gibt es mehrere sog. Auslegungsmethoden (nach Wortlaut, historisch, nach Sinn & Zweck, systematisch…).

Schauen wir uns ein Beispiel an, nach dem ich immer wieder mal gefragt werde: In § 40 Absatz 1 MVStättVO heißt es:

Bei Generalproben, Veranstaltungen, Sendungen oder Aufzeichnungen von Veranstaltungen auf Großbühnen oder Szenenflächen mit mehr als 200 m² Grundfläche oder in Mehrzweckhallen mit mehr als 5000 Besucherplätzen müssen mindestens ein für die bühnen- oder studiotechnischen Einrichtungen sowie ein für die beleuchtungstechnischen Einrichtungen Verantwortlicher für Veranstaltungstechnik anwesend sein.

Müssen in Mehrzweckhallen mit mehr als 5.000 Besucherplätzen mindestens ein für die bühnen- oder studiotechnischen Einrichtungen sowie ein für die beleuchtungstechnischen Einrichtungen Verantwortlicher für Veranstaltungstechnik anwesend sein? Also immer dann, wenn es eine Mehrzweckhalle mit mehr als 5.000 Besucherplätzen gibt?

Nein. Denn “in Mehrzweckhallen” ist im Kontext mit der Einleitung zu lesen: “Bei Generalproben, Veranstaltungen, Sendungen oder Aufzeichnungen von Veranstaltungen”. Finden also

  • Generalproben,
  • Veranstaltungen,
  • Sendungen oder
  • Aufzeichnungen von Veranstaltungen

in

  • Mehrzweckhallen mit mehr als 5.000 Besucherplätzen

statt, dann (erst) muss ein Verantwortlicher für Veranstaltungstechnik anwesend sein.

Warum ist das so?

Denn schließlich könnte man auch lesen:

“In Mehrzweckhallen mit mehr als 5000 Besucherplätzen müssen mindestens ein für die bühnen- oder studiotechnischen Einrichtungen sowie ein für die beleuchtungstechnischen Einrichtungen Verantwortlicher für Veranstaltungstechnik anwesend sein.”

Aber: Grammatikalisch macht der Satz so keinen Sinn: “in” einer Halle soll der VfV anwesend sein. Das ist aber nur eine örtliche Beschreibung, und keine zeitliche Beschreibung, wann er anwesend sein soll. So heißt es bspw. in § 38 Absatz 2 für den Veranstaltungsleiter, dass er “während des Betriebes von Versammlungsstätten” anwesend sein muss. Natürlich könnte man in das Wörtchen “in… muss anwesend sein” auch hineininterpretieren, dass das nur während des Betriebs der Versammlungsstätte gelten soll. Das aber hätte der Verordnungsgeber dann auch unschwer so formulieren können wie er es in § 38 Absatz 2 getan hat. Außerdem macht eine ständige Anwesenheit gleich zweier hochqualifizierter Verantwortlicher für Veranstaltungstechnik nur aufgrund der Hallengröße auch nicht immer Sinn: Nämlich dann, wenn die Halle komplett leer ist und nur eine kleine Veranstaltung darin stattfindet. Dementsprechend macht es deutlich mehr Sinn, die Anwesenheit abzustellen (bzw. einzuschränken) auf

  • Generalproben, Veranstaltungen, Sendungen oder Aufzeichnungen von Veranstaltungen,

und zwar auch nur dann, wenn es dabei

  • bühnen- oder studiotechnischen Einrichtungen
  • oder beleuchtungstechnischen Einrichtungen

gibt.

Außerdem hilft ein Vergleich mit § 40 Absatz 3, in dem es heißt:

Auf- oder Abbau bühnen-, studio- und beleuchtungstechnischer Einrichtungen von Großbühnen oder Szenenflächen mit mehr als 200 m² Grundfläche oder in Mehrzweckhallen mit mehr als 5000 Besucherplätzen, wesentliche Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an diesen Einrichtungen und technische Proben müssen von einem Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik geleitet und beaufsichtigt werden.

Die Frage: Wie ist “oder in Mehrzweckhallen…” zu verstehen? Muss es eine Aufsicht in jeder Mehrzweckhalle mit mehr als 5.000 Besucherplätzen geben? Oder nur, wenn in dieser ein Aufbau oder Abbau von bühnen-, studio- und beleuchtungstechnischer Einrichtungen erfolgt?

Das ist eigentlich ganz einfach: Nur, wenn in dieser Mehrzweckhalle auch ein Aufbau oder Abbau von bühnen-, studio- und beleuchtungstechnischer Einrichtungen erfolgt. Denn ansonsten würde der Wortlaut und die Beaufsichtigungspflicht ja keinen Sinn machen: Denn sonst müsste “in Mehrzweckhallen mit mehr als 5000 Besucherplätzen… beaufsichtigt werden”. Was soll da beaufsichtigt werden? Daher kann nur richtig sein:

In Mehrzweckhallen mit mehr als 5.000 Besucherplätzen muss der Verantwortliche für Veranstaltungstechnik den Auf- oder Abbau bühnen-, studio- und beleuchtungstechnischer Einrichtungen beaufsichtigen.

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