Das Thema Scheinselbständigkeit taucht immer mal wieder auf, und immer wieder gibt es neue Urteile dazu. Jetzt hat sich eine Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen eingereiht:
Es ging um die Frage, ob Gastspielkünstler an einem Staatstheater sozialversicherungspflicht sind oder eben “frei”.
Das Theater hatte die vier betreffenden Künstler nur für den Zeitraum der Probenphase und der Premiere als sozialversicherungspflichtig angemeldet – nicht hingegen für die nachfolgenden Aufführungen: Denn hier solle die für eine Sozialversicherungspflicht bzw. ein Angestelltenverhältnis notwendige “Eingliederung in den Betrieb” nicht gegeben gewesen sein, ebenso soll es an der Weisungsgebundenheit gefehlt haben, argumentierte das Theater: Die Künstler konnten in dieser Zeit auch für andere Häuser tätig werden. Außerdem waren manche Partien auch doppelt besetzt, so dass ein Auftritt jeweils offen sei.
Die Deutsche Rentenversicherung stellte bei einer Betriebsprüfung die Sozialversicherungspflicht fest und forderte über 9.000 Euro nach.
Hiergegen klagte das Theater, und bekam in der 1. Instanz vor dem Sozialgericht Braunschweig noch Recht. In der Berufung aber hob nun das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen dieses Urteil auf und folgte damit der Auffassung der Rentenversicherung: Die 4 Künstler waren auch für die folgenden Aufführungen sozialversicherungspflichtig.
Dienstbereitschaft vereinbart
Das Landessozialgericht stellte dabei auf die neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei durchgehender Beschäftigung nach Art einer Dienstbereitschaft ab: Die Künstler seien vertraglich eine Verpflichtung über nachfolgende Vorstellungstermine eingegangen. Das Theater hatte sich im Vertrag das Recht eingeräumt, von den Künstlern auch weitere Vorstellungen verlangen zu können. Die Künstler hatten sich zudem verpflichtet, auch weitere Termine zu vereinbaren.
Nur, weil diese weiteren Termine hätten einvernehmlich erst noch vereinbart werden müssen, steht aber nach Auffassung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen die permanente Bereitschaft der Künstler im Vordergrund: Diese vertraglich zugesicherte, kurzfristige Dienstbereitschaft sei in diesem Falle vielmehr Teil der geschuldeten Arbeitsleistung, so das Gericht.
Vorsicht bei der Vertragsgestaltung
Es hilft nun nichts, im Vertrag mit dem “freien Mitarbeiter” einfach nur reinzuschreiben, es bestünde eben keine Dienstbereitschaft… Maßgeblich ist, dass dies nicht nur im Vertrag drinsteht, sondern auch so gelebt wird = maßgeblich sind die Tatsachen. Würde nur vertraglich vereinbart, dass keine Dienstbereitschaft bestünde, aber tatsächlich muss der Freie Mitarbeiter letztlich springen, wenn der Auftraggeber ruft, dann liegt regelmäßig Scheinselbständigkeit vor.
Die Scheinselbständigkeit kann teuer werden: Es drohen Nachzahlungen
- beim Arbeitslohn,
- für Urlaubsabgeltungen,
- von Sozialversicherungsbeiträgen,
- bei der Lohnsteuer,
- sowie Rückzahlung der zu Unrecht vereinnahmten Vorsteuer.
Je nach Konstellation kann die Zahlungspflicht bis zu 10 Jahre rückwirkend bestehen.
Außerdem besteht die Gefahr, dass nicht nur ein Freier Mitarbeiter überprüft und als scheinselbständig eingestuft wird, sondern gleich alle (auch ehemaligen) Freien Mitarbeiter.
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