Im Streit über die Zulässigkeit der aktuellen Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie gibt es die wohl erst zweite Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – sozusagen der letzten Instanz.
Eine Betreiberin eines Kinos mit Restaurant in Bayern hatte sich gegen die Schließungsmaßnahmen gewehrt. Aus prozessualen Gründen hat das Bundesverfassungsgericht aber nicht über den Kinobetrieb entschieden, sondern nur über den Restaurantbetrieb innerhalb des Kinos. Hierzu hatte das Bundesverfassungsgericht nun im Eilverfahren entschieden, dass die bayerischen Schließungsmaßnahmen für Restaurants rechtmäßig sind. Argumente wie Hygienekonzepte u.a. ließen die Verfassungshüter nicht gelten:
“Die Ursachen für den bundesweiten Anstieg der Infektionen sind insoweit nach bisherigem Kenntnisstand diffus, wobei Häufungen im Zusammenhang mit dem Freizeitverhalten der Menschen zu beobachten waren. In den meisten Fällen ist die genaue Infektionsquelle jedoch nicht bekannt. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch Gastronomiebetriebe zum Infektionsgeschehen beitragen.”
Dann prüft das Bundesverfassungsgericht die Abwägung zwischen dem Eingriff in den Gewerbebetrieb einerseits, und mögliche Risiken bei Aufhebung der Maßnahme andererseits:
“Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung des Verordnungsgebers, bestimmte Lebensbereiche und damit zusammenhängende Betriebe stark einzuschränken, auf einem Gesamtkonzept beruht, im Rahmen dessen insbesondere Schulen und Betreuungseinrichtungen für Kinder sowie eine große Zahl von Betrieben und Unternehmen geöffnet bleiben sollen. Würde dem Antrag der Beschwerdeführerin, nun Teile dieses Konzepts außer Kraft zu setzen, stattgegeben, bestünde die Gefahr, das Infektionsgeschehen nicht eindämmen zu können, mit den beschriebenen gravierenden Folgen. Der Verordnungsgeber ist nicht gehalten, eine solche Entwicklung hinzunehmen, sondern aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 GG sogar prinzipiell zu Maßnahmen des Gesundheits- und Lebensschutzes verpflichtet.
Das grundrechtlich geschützte Interesse der Beschwerdeführerin an der ungestörten Ausübung ihres Berufes wiegt damit zwar schwer. Angesichts des gebotenen strengen Maßstabes, der für den ausnahmsweisen Erlass einer einstweiligen Anordnung anzuwenden ist, und unter Berücksichtigung des Einschätzungsspielraums des Verordnungsgebers überwiegt es das Interesse am Schutz von Leben und Gesundheit durch die vorliegend angegriffenen befristeten Maßnahmen jedoch hier nicht.”
Welche Bedeutung hat diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts?
Explizit erging diese Entscheidung in Bezug auf Regelungen in Bayern. Allerdings scheint der konkrete Wortlaut der bayerischen Verordnung keine sonderliche Rolle gespielt zu haben, die Ausführungen des Bundesverfassungsgericht lesen sich sehr verallgemeinernd, so dass die Grundsätze der Entscheidung wohl auch auf andere Länder übertragen werden können.
Damit ist aber abschließend allenfalls über das Verbot der Restaurant-Öffnung entschieden worden. Andere Verbote anderer Branchenzweige sind davon nicht ohne Weiteres erfasst. Allerdings dürften m.E. auch die Veranstaltungsverbote eine ähnliche Begründung erfahren wie der Restaurantbetrieb.
Tatsächlich sind sich bislang die Gerichte soweit ersichtlich einig in Bezug auf Restaurants, aber auch Veranstaltungen. Bisher bröckeln allenfalls die Verbote bei Fitness-Studios, Tattoo-Studios und Kosmetik-Studios.
Jedenfalls für November erwarte ich mit Blick auf Veranstaltungen keine sonderlichen Veränderungen.
Dass aber auch die eingangs dargestellte Entscheidung des Bundesverfassungsgericht letztlich einen konkreten Einzelfall betroffen hat, erkennt man an weiteren Ausführungen des Gerichts; denn offenbar hatte sich die Restaurantbetreiberin auch erhebliche Umsatzeinbußen berufen, diese aber nicht genauer dargelegt:
“Demgegenüber ist aber zu berücksichtigen, dass dieser Eingriff in Grundrechte nach § 28 der 8. BayIfSMV zeitlich bis zum 30. November 2020 befristet ist. Insoweit ist nicht dargelegt, dass dies hier für die Beschwerdeführerin selbst untragbar und sie letztlich in ihrer Existenz bedroht wäre. Der allgemeine Verweis auf eine Existenzbedrohung für Gastronomiebetriebe, Beschäftigte und Zulieferer genügt insoweit nicht. Inwiefern von den angegriffenen Regelungen der Verordnung trotz der … angekündigten außerordentlichen Wirtschaftshilfe von 75 % des Umsatzes des Vorjahres eine existenzgefährdende Wirkung für ihren eigenen Gastronomiebetrieb ausgeht, hat sie nicht vorgetragen. Es ist auch nicht konkret dargelegt, welche Umsatzeinbußen durch die angegriffenen Regelungen der Landesverordnung zu erwarten sind und welche auf die Pandemie als solche und das veränderte Ausgehverhalten der Bevölkerung zurückzuführen wären.”
Gerade der letzte Satzteil wirft eine neue Frage auf: Denn das Bundesverfassungsgericht stellt nicht pauschal auf (hier von der Klägerin leider nicht genauer vorgebrachten) Umsatzeinbußen ab sondern gibt zu bedenken, dass der Umsatzeinbruch nicht nur auf dem Verbot liegen könnte, sondern auch am veränderten Verhalten der Bevölkerung. Derlei Argumentation könnte die Durchsetzung von etwaigen Entschädigungsansprüchen (die ohnehin bisher von den ersten Landgerichten abgelehnt wurden) erschweren, sondern auch die Schlagkraft des Arguments gegen Schließungsanordnungen minimieren, die Anordnung selbst sei existenzbedrohend.
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