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Bundesverfassungsgericht bejaht schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte

Bundesverfassungsgericht bejaht schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte

Von Thomas Waetke 16. April 2020

In den vergangenen Tagen hat es bereits haufenweise sog. Eilverfahren gegen diverse Regelungen zu Eindämmung der Pandemie gegeben. In den allermeisten Gerichtsverfahren haben die Gerichte die Regelungen durchgewunken – zumeist mit dem Argument, dass der Schutz von Menschenleben den befristeten Maßnahmen vorgehe.

So entschied auch das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die bayerischen Regelungen:

„Danach sind die Nachteile, die sich aus einer vorläufigen Anwendung ergeben, wenn sich die angegriffenen Maßnahmen im Nachhinein als verfassungswidrig erwiesen, zwar von besonderem Gewicht. Sie überwiegen aber nicht deutlich die Nachteile, die entstehen würden, wenn die Maßnahmen außer Kraft träten, sich aber später doch als verfassungsgemäß erweisen würden. Die Gefahren für Leib und Leben wiegen hier schwerer als die Einschränkungen der persönlichen Freiheit. Zwar beschränken die angegriffenen Maßnahmen die Grundrechte der Menschen, die sich in Bayern aufhalten, erheblich. Sie schreiben vor, den unmittelbaren körperlichen Kontakt und weithin auch die reale Begegnung einzuschränken oder ganz zu unterlassen, sie untersagen Einrichtungen, an denen sich Menschen treffen, den Betrieb, und sie verbieten es, die eigene Wohnung ohne bestimmte Gründe zu verlassen. Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und hätte die Verfassungsbeschwerde Erfolg, wären all diese Einschränkungen mit ihren erheblichen und voraussichtlich teilweise auch unumkehrbaren sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Folgen zu Unrecht verfügt und etwaige Verstöße gegen sie auch zu Unrecht geahndet worden.

Erginge demgegenüber die einstweilige Anordnung und hätte die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg, würden sich voraussichtlich sehr viele Menschen so verhalten, wie es mit den angegriffenen Regelungen unterbunden werden soll, obwohl die Verhaltensbeschränkungen mit der Verfassung vereinbar wären. So würden dann Einrichtungen, deren wirtschaftliche Existenz durch die Schließungen beeinträchtigt wird, wieder öffnen, Menschen ihre Wohnung häufig verlassen und auch der unmittelbare Kontakt zwischen Menschen häufig stattfinden. Damit würde sich aber auch die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen nach derzeitigen Erkenntnissen erheblich erhöhen.

Eine geltende Regelung kann im Eilrechtsschutz nur ausnahmsweise außer Vollzug gesetzt werden; dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Nach diesem erscheinen die Folgen der angegriffenen Schutzmaßnahmen zwar schwerwiegend, aber nicht im geforderten Maß unzumutbar. Es erscheint nicht untragbar, sie vorübergehend zurückzustellen, um einen möglichst weitgehenden Schutz von Gesundheit und Leben zu ermöglichen, zu dem der Staat grundsätzlich auch nach der Verfassung verpflichtet ist. Gegenüber den Gefahren für Leib und Leben wiegen die Einschränkungen der persönlichen Freiheit weniger schwer. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Regelungen befristet sind, bezüglich der Ausgangsbeschränkungen viele Ausnahmen vorsehen und bei der Ahndung von Verstößen im Einzelfall im Rahmen des Ermessens individuellen Belangen von besonderem Gewicht Rechnung zu tragen ist.“

Klar ist:

Das sind keine Freifahrtscheine für den Gesetzgeber. Nicht umsonst mehren sich die Stimmen aus der Rechtswissenschaft, dass für die gesetzlichen Eilmaßnahmen die gesetzlichen Grundlagen fehlen bzw. fehlerhaft seien. Auch das Bundesverfassungsgericht hat den Zeigefinger bereits mahnend erhoben und schwerwiegende Eingriffe in die Rechte der Unternehmen und Bürger festgestellt – die aber (noch) hinzunehmen seien.

Und gestern hat das Bundesverfassungsgericht bereits nachgelegt, und das Verbot einer Demonstration in Gießen (Hessen) aufgehoben und der Stadt auferlegt, nochmals genauer hinzuschauen:

„Darüber hinaus wird die Entscheidung der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens den verfassungsrechtlichen Maßgaben des Art. 8 Abs. 1 GG auch deshalb nicht gerecht, weil sie über die Vereinbarkeit der Versammlung mit § 1 der Hessischen Verordnung nicht unter hinreichender Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden hat. Die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens macht überwiegend Bedenken geltend, die jeder Versammlung entgegengehalten werden müssten und lässt auch damit die zur Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 1 GG bestehenden Spielräume des § 1 der Verordnung leerlaufen.“

Wir sind gespannt, wie die Länder nun das abgestimmte Verbot von „Großveranstaltungen“ umsetzen bzw. kleinere Veranstaltungen definieren und zulassen.

Aber, das muss man sich bewusst machen: Übertreiben darf man es auch nicht, d.h. eine schnelle komplette Öffnung aller Veranstaltungen ist Illusion.

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