Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat heute einem Eilantrag gegen das baden-württembergische Beherbergungsverbot für Gäste aus deutschen Regionen, in denen die 7-Tage-Inzidenz von 50 neu gemeldeten SARS-CoV-2-Fällen pro 100.000 Einwohner überschritten wurde, stattgegeben.
Das Beherbergungsverbot ist hoch umstritten (siehe meinen Beitrag von gestern), alleine schon, ob es denn ein taugliches Mittel zur Bekämpfung der Pandemie ist.
Nun hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg dieses Verbot vorläufig außer Kraft gesetzt.
Die Landesregierung war der Meinung, das Verbot sei verhältnismäßig: Zahlreiche Ferienregionen, unter anderem in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern hätten im Hinblick auf die Eindämmung des Infektionsgeschehens in der jüngeren Vergangenheit sehr gute Erfahrungen mit Reisebeschränkungen gemacht. Angesichts von mehr als 5.000 nachgewiesenen Neuinfektionen pro Tag sei aktuell nicht die Zeit, Beschränkungen zurückzunehmen.
Das war für den Verwaltungsgerichtshof aber nicht ausreichend. Das Beherbergungsverbot greife in unverhältnismäßiger Weise in das Grundrecht auf Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 GG ein und sei daher verfassungswidrig. Eingriffszweck und Eingriffsintensität stünden nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander, so das Gericht. Das Land verfolge mit der Eindämmung der Pandemie den Schutz von hochrangigen Rechtsgütern.
Das Land konnte jedoch nicht darlegen, dass im Zusammenhang mit der Beherbergung ein besonders hohes Infektionsrisiko bestehe, dem mit so drastischen Maßnahmen begegnet werden müsste. Derzeit seien trotz steigender Fallzahlen in Deutschland keine Ausbruchsgeschehen in Beherbergungsbetrieben bekannt. Vielmehr sei aktueller „Treiber“ der Pandemie das Feiern in größeren Gruppen oder der Aufenthalt in Bereichen, wo die Abstands- und Hygieneregeln aufgrund räumlicher Enge, z.B. in der Schule oder in verschiedenen Wohnsituationen (z.B. Pflegeheimen oder Flüchtlingsunterkünften) nicht eingehalten würden, stellte das Gericht fest.
Hotels kein “Treiber” des Infektionsgeschehens
Die Landesregierung sei verpflichtet, fortlaufend und differenziert zu prüfen, ob konkrete Grundrechtseingriffe auch weiterhin zumutbar seien und ob das Gesamtkonzept von Beschränkungen und Lockerungen noch in sich stimmig und tragbar sei. Bis auf Clubs und Discotheken seien sämtliche Geschäfte, Freizeit- und Sporteinrichtungen, Gaststätten, Bars und Vergnügungsstätten wieder – wenn auch mit Schutzvorkehrungen – geöffnet. Dass gerade Beherbergungsbetriebe, in denen nicht zwangsläufig eine große Zahl fremder Menschen aufeinanderträfen, sondern Gäste in abgeschlossenen Räumlichkeiten ggf. mit einer überschaubaren Personenanzahl übernachteten und deren Kontaktdaten hinterlegt seien, davon ausgenommen würden, erschließt sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht.
Es sei Hoteliers auch nicht zumutbar, sich auf die Möglichkeit verweisen zu lassen, negative Coronatests vorzulegen. Nach derzeitiger Sachlage erscheint es nach Auffassung des Gerichts nämlich nicht hinreichend gewährleistet, dass ein solcher Test von Reisenden überhaupt so kurzfristig erlangt werden kann: Schon aus rein organisatorischer Sicht sei fraglich, ob dieses enge Zeitfenster, in dem eine Abstrichentnahme durch medizinisches Fachpersonal, der Transport der Proben ins Labor sowie die Übermittlung des Ergebnisses und schließlich das Erscheinen des Gastes im Beherbergungsbetrieb stattfinden müsse, überhaupt eingehalten werden könne.
Nachtrag:
Auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat die entsprechende Vorschrift für Niedersachsen außer Kraft gesetzt.
Sachsen und das Saarland haben die Vorschrift aus ihrer Corona-Verordnung selbst gekippt.
Anders hingehen im Norden: Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein hat das Beherbergungsverbot für zumindest vorläufig rechtmäßig erachtet. Auf die Schnelle könne man die Frage nicht abschließend beantworten und eine vorschnelle Aufhebung des Verbots könnte zu nicht wieder gut zu machenden Nachteilen führen. Weiterlesen »
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