2020 hat der Gesetzgeber die sog. Gutscheinlösung im Gesetz verankert (siehe Art. 240 § 5 EGBGB), über die viele Veranstalter insb. von Freizeitveranstaltungen nicht gezwungen waren, bei pandemiebedingten Absagen das Eintrittsgeld zurückzubezahlen: Vielmehr war es unter gewissen Voraussetzungen möglich, einen Gutschein anzubieten.
Das Amtsgericht Frankfurt/Main hat bisher die Auffassung vertreten, dass die Regelung womöglich verfassungswidrig sei, u.a. da rückwirkend in einen bereits bestehenden Vertrag eingegriffen werde. Daher hatte das Gericht in einem laufenden Prozess das Bundesverfassungsgericht involviert und dort die Frage vorgelegt, ob die Regelung verfassungsgemäß sei.
Diese Frage hat jedenfalls das Amtsgericht München für sich bereits beantwortet und bejaht: In einem aktuellen Prozess um eine Ticketerstattung lehnte das AG München die Ansprüche ab, da der Veranstalter legitimerweise einen Gutschein vorgelegt hätte.
Das Amtsgericht München bewertete die Gutscheinlösung als verfassungsgemäß: In der Verhinderung bzw. Verzögerung von drohenden Veranstalterinsolvenzen während der Pandemie liege ein legitimes Ziel, das der Gesetzgeber mit der kurzfristigen Einführung der Norm verfolgt habe.
Auch sei der Eingriff in die Rechte der Ticketkäufer verhältnismäßig, denn Kulturveranstaltungen seien zwar ein gesellschaftlich wichtiges Gut, aber nicht mit für das Leben existenziellen Anschaffungen zu vergleichen. An der Verhältnismäßigkeit zweifelte das Gericht auch nicht, denn im Falle einer persönlichen Unzumutbarkeit helfe eine Härtefallregelung, falls der Ticketkäufer im Einzelfall dringend auf Geld statt Gutschein angewiesen sein sollten.
Hintergrundinfo
Nach und nach kommen weitere Urteile anderer Gerichte dazu, womöglich auch der sog. Instanzgerichte (z.B. Landgericht oder Oberlandesgericht) und schließlich des Bundesgerichtshofes. Aber selbst ein Urteil des Bundesgerichtshofs ist nicht absolut verbindlich, d.h. ein Amtsgericht kann davon durchaus abweichen – und ggf. geht dann alles wieder von vorne los.
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Das bedeutet, dass der Gedanke des Insolvenzschutzes hinfällig würde, wenn die Veranstalter nun zum Ende des Jahres von Erstattungsansprüchen überflutet werden. Wird die Frist aber verlängert, dürften sich verfassungsrechtliche Bedenken umso mehr auftun, da betroffene Ticketkäufer dann 1 Jahr länger hingehalten würden.
Hintergrundinfo
Aus meiner Sicht ist das bedenklich: Denn wenn es um´s Geld geht, geht es nicht mehr um´s Recht. Und Veranstalter werden wie viele anderen Unternehmen mit vielen Kunden künftig ein erweitertes Risiko haben: Nämlich dass sie sich massenhaft geltend gemachten Ansprüchen von Legal-Tech-Maschinen ausgesetzt sehen.
Ein Beispiel: Vor dem Europäischen Gerichtshof ist derzeit ein Verfahren anhängig, in dem es um die Frage geht, ob ein Betroffener einen Schadenersatzanspruch hat, wenn seine Daten nicht ausreichend geschützt wurden. Diese Frage wurde in Deutschland bisher unterschiedlich beurteilt; sollte der EuGH den Schadenersatz bejahen, müssen datenverarbeitende Unternehmen m.E. mit einer Flut von Abmahnungen von (vermeintlich) Betroffenen rechnen – ggf. befeuert durch finanzstarke Legal-Tech-Unternehmen.
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