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Abgrenzung zur ANÜ: Werkvertrag nur, wenn Auftragnehmer fähig ist, ein Werk abliefern zu können

Abgrenzung zur ANÜ: Werkvertrag nur, wenn Auftragnehmer fähig ist, ein Werk abliefern zu können

Von Thomas Waetke 22. September 2020

Die Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) ist selten einfach. Die Thematik wird verschärft durch die harten Rechtsfolgen bei rechtswidriger ANÜ: Bspw. wenn die Erlaubnis zur ANÜ fehlt, die Schriftform des Überlassungsvertrages nicht beachtet wurde u.a.

Grundsätzlich gehen die Gerichte 3 Prüfungsschritte durch:

  1. Ausgangspunkt ist zunächst die rechtliche Einordnung des zwischen den beteiligten Arbeitgebern abgeschlossenen Vertrags. Wenn sich aus diesem Vertrag bereits eine ANÜ ergibt, kann man schwerlich noch mit einem Werkvertrag argumentieren.
  2. Danach ist zu prüfen, ob die gelebte Vertragspraxis mit den Vereinbarungen übereinstimmt. Widersprechen sich Vertrag und Alltag, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertrags maßgebend, weil diese am ehesten Aufschluss darüber gibt, was die Vertragsparteien wirklich gewollt haben. Der so ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp.
  3. Als letzten Prüfungsschritt wird eine wertende Gesamtbetrachtung vorgenommen. D.h., dass ein einzelnes Kriterium für die ANÜ nicht automatisch zur ANÜ führt, sondern es kommt auf die Gewichtung aller Kriterien und Indizien an.

Das Landesarbeitsgericht München hat nun in einem bemerkenswerten Fall nicht nur ein 30 Jahre zurückliegendes Vertragsverhältnis bewertet, sondern auch traditionell eher schwache Indizien zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht.

In dem Fall war eine Arbeitnehmerin bei einem Betrieb angestellt, der sich im Rahmen eines vermeintlichen Werkvertrages verpflichtet hatte, gewisse Tätigkeiten beim Auftraggeber zu erbringen. Die betroffene Mitarbeiterin stellte irgendwann fest, dass es sich um eine rechtswidrige ANÜ handelte und klagte ihre Rechte aus dem fiktiv entstehenden Arbeitsverhältnis (siehe § 10 AÜG) zum Auftraggeber ein.

Zwei dieser vom Landesarbeitsgericht zugrundegelegten Kriterien greife ich hier heraus:

Arbeitsteiliges Zusammenwirken

Die betroffene Mitarbeiterin hatte die gleichen Tätigkeiten wie das beim Auftraggeber angestellte Personal ausgeführt. Diese Feststellung allein ist noch nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist, ob diese gleichen Tätigkeiten organisatorisch getrennt von den Tätigkeiten der Beschäftigten des Auftraggebers in eigener Verantwortung des Auftragnehmers erledigt wurden. Dies war hier nicht der Fall: Die betroffene Mitarbeiterin und die Mitarbeiter des Auftraggebers wirkten vielmehr arbeitsteilig zusammen.

Damit fehlte es aber an einem abgrenzbaren, allein dem Auftragnehmer zuzurechnenden Ergebnis im Sinne eines Werkvertrages.

Anders ausgedrückt: Der Auftragnehmer allein war gar nicht in der Lage, ein werkvertragliches Ergebnis eigenständig herzustellen.

Kein werkvertragsfähiger Auftragnehmer

Der Verleihbetrieb hat nach seinem Geschäftszweck nicht über die betrieblichen und personellen Voraussetzungen verfügt, um die Tätigkeiten der von ihr zur Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten im Betrieb des Auftraggebers eingesetzten Arbeitnehmer zu organisieren und ihnen Weisungen zu erteilen.

Dieser Umstand ist bemerkenswert: Der Auftragnehmer müsste – wenn der Vertrag denn ein Werkvertrag sein soll – überhaupt „werkvertragsfähig“ sein. Er muss also fachlich in der Lage sein, überhaupt Weisungen erteilen zu können, um den Werkerfolg herbeizuführen.

In dem konkreten Fall wurde dieser Eindruck, dass der Auftragnehmer eben nicht werkvertragsfähig war, dadurch verstärkt, dass die Einarbeitung in die Tätigkeit durch den Auftraggeber durchgeführt wurde – weil der Auftragnehmer (= der Arbeitgeber der betroffenen Mitarbeitern) fachlich gar nicht in der Lage war, diese Einarbeitung vorzunehmen.

Achtung!
Stellt man im Laufe der Abwicklung fest, dass durch Änderungen im Arbeitsalltag der anfängliche Werkvertrag versehentlich in eine Arbeitnehmerüberlassung gewechselt hat und die Arbeitnehmerüberlassung faktisch vorgelegen hat, dann reicht eine Rückkehr zum Werkvertrag nicht aus, die ANÜ zu beseitigen: Sie ist und bleibt für diesen Zeitraum bestehen.

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