Das Landesarbeitsgericht München hat den Chef eines Betriebes verurteilt, die Kosten der abgesagten Hochzeit einer Mitarbeiterin zu erstatten. Was war passiert?
Die Arbeitnehmerin plante ihre Hochzeitsfeier, die aber ausfallen musste, weil die Braut coronabedingt in Quarantäne musste. Ihr Chef kam kurz zuvor aus einem Urlaub zurück; trotz Erkältung ging er normal ins Büro. Zu diversen Auswärtsterminen fuhren er und seine Mitarbeiterin gemeinsam im Auto, eine Maske trugen dabei beide nicht.
Nach kurzer Zeit wurde der Chef positiv getestet, und alle Kontaktpersonen mussten in Quarantäne – darunter auch die Mitarbeiterin. Die Hochzeitsfeier musste abgesagt werden, es entstand ein Schaden von 5.000 Euro.
Das Landesarbeitsgericht verurteilte den Chef zum Ersatz dieses Schadens, da er gegen seine Fürsorgepflicht als Arbeitgeber verstoßen habe:
“Der Arbeitgeber hat seine “Fürsorgepflicht gegenüber der Klägerin als seine Arbeitnehmerin durch seinen Geschäftsführer verletzt, indem dieser trotz Erkältungssymptomen seit seiner Rückkehr aus Italien mit der Klägerin zusammen längere Zeit in einem Auto fuhr. … Die Pflichtverletzung war ursächlich für den entstandenen Schaden. Wäre der Geschäftsführer nicht ins Büro gekommen oder hätte er wenigstens den notwendigen Abstand zur Klägerin durch getrennte Autofahrten gewahrt, wäre gegen die Klägerin keine Quarantäneanordnung ergangen und die geplante Hochzeit samt Feier hätte stattfinden können.”
Und:
“… für derartige (habe) Fahrten ein Konzept gefehlt … Und wenn er trotz Erkältungssymptomen zur Arbeit kam, wahrte er nicht die vorgegebenen Hygienevorschriften.”
Wohlbemerkt: Zum Zeitpunkt der gemeinsamen (aber auch längeren) Autofahrten war der Geschäftsführer “nur” erkältet, und noch nicht positiv auf Corona getestet.
Das Landesarbeitsgericht hat auch festgestellt, dass sich die Mitarbeiterin kein Mitverschulden anlasten lassen müsse (also dass es ihr nicht zumutbar gewesen sei, den Schaden durch eigenes Verhalten zu verhindern):
Es könne nicht erwartet werden, dass eine Arbeitnehmern gegenüber ihrem Vorgesetzten verlange, ein zweites Auto zu nutzen. Dies wäre einem Hinweis der Angestellten gegenüber dem Geschäftsführer gleichgekommen, dass dieser seinen eigenen Gesundheitszustand nicht ausreichend beachte und nicht adäquat darauf reagiere. Ein solches Verhalten ist schwer vorstellbar und von der Mitarbeiterin, selbst wenn sie wie hier ein besonderes Interesse an der Einhaltung der Regelungen hatte, nicht zu verlangen.
Dieses Urteil ist sicherlich in der Sache richtig, dennoch bemerkenswert: Denn auch jetzt, nach Wegfall fast aller Quarantänemaßnahmen, können Mitarbeiter in Quarantäne geschickt werden. Entsteht ihnen dadurch ein Schaden, muss der Arbeitgeber damit rechnen, dass er in Anspruch genommen wird, wenn er kein ausreichendes betriebliches Hygienekonzept hatte.
Aktuell ist die Rechtslage ja so, dass Arbeitgeber die Maßnahmen nicht mehr vordiktiert bekommen, sondern aufgrund einer Gefährdungsbeurteilung selbst entscheiden sollen, was sie tun. Nach heutigem Stand könnte aber die sich aus der speziellen Sars-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung ergebende Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung ab Anfang Mai wegfallen. Ob das Landesarbeitsgericht diese Entscheidung dann auch so treffen würde, kann man sicherlich mit einem kleinen Fragezeichen versehen – auf Nummer sicher geht der Betrieb aber, wenn er auch weiterhin ein Hygienekonzept vorhält. Es ergibt sich aus dem allgemeinen Arbeitsschutz auch weiterhin eine Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung (siehe § 5 ArbSchG); aber werden die Gerichte künftig daraus die Pflicht zu konkreten Maßnahmen herleiten, die in den spezielleren Regelwerken aufgehoben wurden?
(Hinweis: Eine Gefährdungsbeurteilung muss der Arbeitgeber grundsätzlich immer vornehmen. Die Sars-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung hatte bislang konkrete Maßnahmen vorgeschrieben, seit Mitte März “nur” noch eine Gefährdungsbeurteilung.)
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